Demo-Flyer





Arme Eltern - arme Kinder (26.09.2016)
Unterhalt und Regelsätze

Mehr als 15% der Bevölkerung in Deutschland gelten als armutsgefährdet, weil sie über weniger als 60% des hierzulande erzielten mittleren Einkommens verfügen. Bei den Alleinerziehenden sind es fast 42%! Dagegen will nun Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) etwas unternehmen und fordert eine Ausweitung des Unterhaltsvorschusses, den Alleinerziehende vom Staat erhalten können, wenn der Kindervater / die Kindesmutter keinen Unterhalt zahlt. Die Altersgrenze soll von jetzt 12 auf 18 Jahre angehoben und die Begrenzung der Bezugsdauer von sechs Jahren aufgehoben werden.
Frau Schwesig stammt aus so genannten einfachen Verhältnisse. Kennt sie diese deshalb besser als andere Minister*innen? Offenbar nicht, sonst wüsste sie, dass Alleinerziehende, die aufgrund von Arbeitslosigkeit oder geringem Einkommen Hartz IV beziehen, von einer Ausweitung des Unterhaltsvorschusses nicht haben, da dieser ja auf die Leistungen angerechnet wird. Eine Abschaffung der Zeitbegrenzung erhöht allein die Schulden des getrennt lebenden Elternteils gegenüber dem Staat.
In Jena sind laut Stadt 4,5% aller Haushalte (2708 von 60.427, Stand August 2016) Alleinerziehende, davon erhalten 826 Haushalte Leistungen nach dem SGB II, dass sind 30,5% Damit liegt die Stadt Jena unter dem bundesweiten Durchschnitt. Eine Erhöhung des des Unterhaltsvorschusses würde auch hier zu einem Teil an den Staat zurückfließen.
Die Armut bleibt und daran ändert auch die Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze nichts. So kommt die Stellungnahme der Diakonie zu dem Ergebnis, dass bei Erwachsenen eine Vielzahl von Ausgaben (siehe Flyer vom 19.09.2016) für das soziokulturelle Existenzminimum für nicht relevant erklärt wurden, so dass am Bedarf eigentlich monatlich mehr als 147 € fehlen. Für Kinder unter 6 Jahren wurde ein Fehlbedarf von 79 € festgestellt (bei 6-14 Jährigen sind 65 €, bei den Jugendlichen 80 €).
Die Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums ergibt sich einerseits prozentual aus dem Fehlbedarf allgemein - so zum Beispiel bei der Mobilität oder den Telefonkosten - zum anderen aber aus dem spezifischen Bedarf der jeweiligen Altersklasse. Ein wesentliches Problem besteht darin, dass seit der Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets ein darüber hinausgehender Bedarf so gut wie ausgeschlossen wird. Dabei hat die vom zuständigen Ministerium in Auftrag gegebene Studie gezeigt, dass das BuT längst nicht von allen Familien genutzt wird und außerdem unzureichend ist (siehe Flyer vom 04.07.2016). Trotzdem wurden zum Beispiel für Schulkinder Stifte, Zeichen- und Bastelmaterial, welches nicht den Unterricht verwendet wird, gestrichen... arme Kinder!




Kein Eis im Sommer... (19.09.2016)
Kürzungen beim soziokulturellen Existenzminimum bleiben

Der Hartz-IV-Regelsatz soll zum Beginn des kommenden Jahres um fünf Euro steigen. Dieses Mal handelt es sich jedoch nicht um die jährliche Neufestlegung aufgrund der Preis- und Lohnentwicklung, sondern um das Ergebnis einer neuen Regelbedarfsermittlung aufgrund der Einkommens-verbraucherstichprobe (EVS) von 2013.
Wie nicht anders zu erwarten, ergibt sich die geringe Erhöhung daraus, dass wie bisher viele Ausgaben für nicht relevant für das soziokulturelle Existenzminimum erklärt werden und unberücksichtigt blieben.
In den Stellungnahmen von Caritas, Diakonie und des Verbandes der alleinerziehenden Mütter und Väter, die im Internet veröffentlicht wurden, hagelt es Kritik. Die Diakonie beruft sich dabei auf ein Gutachten von Dr. Irene Becker, in welchem festgestellt wird, dass zum Beispiel bei Erwachsenen mehr als Viertel der Ausgaben der Referenzgruppe nicht anerkannt werden und daher 147 € fehlen. Oder anders ausgedrückt: Um auf die Ausgaben der 15% der untersten Einkommensgruppen zu kommen, müsste der Regelsatz 2017 nicht 409 €, sondern 556 € betragen.
In der EVS wurden private Ausgaben der untersten 15% der Einkommen in Ein-Personen-Haushalten von durchschnittlich 903 € ermittelt. Dieser Betrag liegt unter der Armutsgrenze - 60% des mittleren Einkommens - das 2013 bei 979 € lag. Viele der kritischen Hinweise sind nicht neu, da sich die Bundesregierung als beratungsresistent erweist. So blieben die Hinweise des Bundesverfassungsgerichtes zur Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs für Strom sowie Einmalzahlungen für große Haushaltsgeräte unberücksichtigt.
Die Liste der Ausgaben, die nicht zum Existenzminimum gehören sollen, scheint noch umfangreicher geworden zu sein. Grundsicherungsempfänger brauchen keine Schnittblumen oder Zimmerpflanzen, weder Adventskränze noch Weihnachtsbäume. Auch Futter für Haustiere oder die Vögel im Winter ist nicht vorgesehen, auch kein Eis im Sommer (der Besuch von Gaststätten überhaupt nicht). Auch Medikamente, die nicht von der Krankenkasse erstattet werden, sind nicht erforderlich. Beibehalten wird auch die "gesundheitsfördernde" Kürzung um die Ausgaben für Alkohol und Tabak. Hier heißt es in der Stellungnahme: "Für Tabakwaren beträgt der Abzug 10,58 € im Monat, was weniger als zwei Schachteln Zigaretten im Monat entspricht. Die Streichung dieses Konsums von Genussmitteln als Teil des soziokulturellen Existenzminimums ist beliebig. Genauso gut könnten Schokolade, Kartoffelchips oder Zucker aus dem Regelsatz herausrechnet werden." (S. 16).
Dass aber Kosten für Mobilfunkverträge nicht werden, wenn ein Festnetzanschluss besteht, kann nur als realitätsfremd bezeichnet werden. Und das ist noch höflich ausgerückt!




Vom Wert der Gleichheit (12.09.2016)

"Gleichheit" ist ein viel strapazierter Begriff. Im juristischen Sinne bedeutet er, dass vor dem Gesetz alle gleich sind und gleich gleich behandelt werden müssen.
Wenn aber die SPD nahe Friedrich-Ebert-Stiftung eine Konferenz organisiert mit einem Titel, der zugleich eine Forderung ist - "Mehr Gleichheit" - dann geht es um die soziale Gleichheit bzw. um deren in der Realität fest verankertes Gegenstück, die soziale Ungleichheit.
Dazu war im Auftrag der Stiftung auch eine Befragung durchgeführt worden. Als Ergebnis konnte festgestellt werden, dass 82% der Befragten der Aussage zustimmten, wonach die soziale Ungleichheit in Deutschland mittlerweile zu groß sei. Obwohl bekanntlich die Unterschiede in Einkommen und Vermögen in Deutschland in den vergangenen Jahren besonders deutlich gestiegen sind, haben - so heißt es in der Untersuchung - frühere Befragungen zum Thema der sozialen Ungleichheit ein ähnliches Meinungsbild ergeben. Woran wieder einmal zu erkennen ist, dass die all diese Studien zum Zustand der Gesellschaft keine Veränderungen bewirken!
Die Befragung birgt auch sonst keine Überraschungen. Es wird niemanden verwundern, dass Wähler*innen der LINKEN eher die Auffassung vertreten, dass die soziale Ungleichheit zu groß ist (92%) als die der FDP (59%) und diejenigen, die sich in einer schlechten wirtschaftlichen Lage befinden (92%), eher als die in einer sehr guten (78%).
Der Titel der Darstellung "Wachsende Ungleichheit als Gefahr für nachhaltiges Wachstum" verweist allerdings drauf, warum das Problem jetzt von Interesse ist - es droht ein Schaden für die Wirtschaft. Darauf verweist eine andere Studie der Stiftung, die dem Zusammenhang von "Ungleichheit und makroökonomischer Instabilität" gewidmet ist. Dort heißt es, das sich "Hinweise hinsichtlich eines negativen Zusammenhangs zwischen ökonomischer Ungleichheit und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung häufen. Immer mehr empirische Untersuchungen kommen demnach zu dem Ergebnis, dass eine hohe bzw. steigende Einkommensungleichheit angebotsseitig das Wirtschaftswachstum schwächt, da sie insbesondere bei Bezieher_innen niedriger bis mittlerer Einkommen zu geringeren Investitionen in die Bildung führt." (S.3)
Für die Konferenz, die im November stattfinden soll, sind verschiedene Vorträge zum Thema Gleichheit (zum Beispiel "Der Wert der Gleichheit.Warum notwendig, unerlässlich und gerecht?") geplant. Wenn ich allerdings im Programm lese, dass der derzeitige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Vortrag "Politik für mehr Gleichheit" hält, frage ich mich schon, wie das gemeint ist, noch dazu, wo das Attribut "sozial" in allen Ankündigungen fehlt.




Neuregelungen im SGB II (05.09.2016)
Teil 3: Weitere Änderungen

Der Bewilligungszeitraum beträgt 12 Monate, er kann aber auf sechs Monate verkürzt werden, wenn er Bescheid vorläufig ist oder die Kosten der Unterkunft unangemessen.
Es kann ein Vorschuss auf die Leistungen des Folgemonats von 100 € beantragt werden, diese wird im Folgemonat aber wieder verrechnet.
Pfändungsausschluss: Leistungen dürfen nicht gepfändet werden.
Verstirbt ein Leistungsberechtigter, werden seine Leistungen für den Monat nicht zurückgefordert. Das gilt aber nicht, wenn der Bescheid aus anderen Gründen noch geändert werden muss. Auch die Erbenhaftung gibt es nicht mehr.
Wohngeld: Wer aufgrund von Einkommen (oder aus anderen Gründen) keinen Anspruch auf Leistungen mehr hat und die Leistungen des laufenden Monats zurückzahlen muss, kann rückwirkend Wohngeld beantragen, falls ein Anspruch besteht.
Bildungs- und Teilhabepaket: Auch Kinder in der Tagespflege haben Anspruch auf Übernahme der Kosten.
Leistungen für den Schulbedarf können abweichend von den Stichtagen bezahlt werden, wenn die Kinder in die Schule kommen. Ein-Euro-Jobs: Innerhalb von 5 Jahren können jetzt maximal drei Jahre Arbeitsgelegenheiten durchgeführt werden. Die Arbeitgeber können auch Kosten für eine sozialpädagogische Betreuung geltend machen.
Ab 01.01.2017 werden Arbeitslose, die ergänzend zum ALG I Leistungen vom Jobcenter bekommen, bei der Eingliederung in Arbeit (wieder) von der Bundesagentur für Arbeit betreut.
Gesetzlich festgelegt wurden weitere Einschränkungen der Möglichkeit zur Überprüfung von Bescheiden. Wenn bisher ein Sozialgericht ein Urteil getroffen hatte, das über einen konkreten Einzelfall hinausging (zum Beispiel, dass die Kosten der Unterkunft in einer Stadt zu niedrig angesetzt waren), konnten andere Betroffene, die bisher nichts unternommen hatten, Überprüfungsanträge stellen und Nachzahlungen für das laufende und das vorangegangene Jahr einfordern. Jetzt geht dies nur noch ab dem Tag des Urteils.
Bescheide, in denen das Jobcenter Leistungen zurückgefordert hatte, konnten bisher ohne Frist überprüft werden. Diese Möglichkeit wurde nun auf vier Jahre beschränkt. (Anmerkung: Hier wird zum wiederholten Mal innerhalb des Sozialrechts ein Sonderrecht für Hartz-IV-Empfänger geschaffen.)
Aufrechnungen dürfen nicht mehr als 30% der Regelleistung umfassen. Bei einer Sanktion von 30% und mehr darf ein zur gleichen Zeit laufendes Darlehen nicht aufgerechnet werden.




Neuregelungen im SGB II (29.08.2016)
Teil 2: Kosten der Unterkunft und "sozialwidriges" Verhalten

Die Städte und Kreise können wieder eine Gesamtobergrenze für die Kosten der Unterkunft festlegen. Damit wird ein Urteil des Bundessozialgericht aus dem Jahr 2008 rückgängig gemacht, wonach nur die Bruttokaltmiete als Kriterium der Angemessenheit berücksichtigt werden darf. Es handelt sich um eine Kann-Bestimmung. Ob es für die Betroffenen günstiger wird, hängt unter anderem davon ab, welche Grenzen bei den Heizkosten angesetzt werden, weshalb sich sicher wieder die Sozialgerichte sich mit dem Thema befassen müssen. Klar gestellt wurde endlich, dass Guthaben bei unangemessen Kosten, die von den Betroffenen selbst gezahlt werden, nicht auf die Leistungen angerechnet werden können.
Wer in eine andere Stadt ziehen möchte, muss sich die Zusicherung vom dortigen Jobcenter einholen. Die Miete der neuen Wohnung muss übernommen werden, wenn sie angemessen ist.
Für die Umzugskosten ist das bisherige Jobcenter zuständig. Diese werden in der Regel nur übernommen, wenn der Umzug aufgrund einer Arbeitsaufnahme erfolgt. (Anmerkung: Warum um Erlaubnis gefragt werden muss, obwohl angemessene Kosten übernommen werden müssen, bleibt schleierhaft. Es dient wohl vor allem der Kontrolle.)
Weiterhin problematisch bleibt der Umzug innerhalb eines Ortes, wenn die neue Wohnung teurer ist. Hält die Behörde den Umzug für nicht erforderlich, werden nur die bisherigen Kosten übernommen. Falls offensichtliche Gründe nicht akzeptiert werden, also unbedingt Widerspruch einlegen!
Die bisher bestehende Sanktionen werden durch die Ausweitung der Ersatzansprüche bei "sozialwidrigem" Verhalten noch einmal verschärft. Wer einen Grund für eine Leistungskürzung liefert - etwa eine zumutbare Arbeit nicht annimmt - soll zukünftig auch die Leistungen zurückzahlen, die er nicht benötigen würde, wenn er die Arbeit angenommen hätte. Auch Gutscheine für Lebensmittel, die bei Sanktionen über 60% ausgegeben werden können, sollen dann zurückgezahlt werden.
Auch hier wird das Bundessozialgericht per Gesetzesänderung ausgehebelt; denn es hatte bereits vor drei Jahren entschieden, dass existenzsichernde Leistungen unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage zu gewähren sind.
Auch die Bußgeldvorschriften werden verschärft: wer Tatsachen nicht, nicht richtig, nicht vollständig und nicht rechtzeitig angibt, kann mit einem Bußgeld bis 5000 € bestraft werden. (Anmerkung: Wer verhängt eigentlich Bußgelder gegen Mitarbeiter des Jobcenters, die Leistungen verweigern, nicht richtig und nicht rechtzeitig bewilligen?)




Neuregelungen im SGB II (22.08.2016)
Teil 1: Auszubildende und Anrechnung von Einkommen

Zum 1. August 2016 trat das 9. Änderungsgesetz zum SGB II in Kraft. Wie schon in den vergangenen Wochen berichtet, profitieren vor allem Auszubildenden davon, dass sie in der Regel nicht mehr von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen sind. Im Gegensatz dazu werden die Strafen gegen "Arbeitsunwillige" weiter verschärft.
Von einer Rechtsvereinfachung kann auch nicht die Rede sein, die Formulierungen in den Paragraphen sind für einen Nicht-Juristen schwer zu verstehen und die bereits veröffentlichten Hinweise von Organisationen und Rechtsanwälten sind in ihren Aussagen nicht immer einheitlich. Eine Garantie für die Richtigkeit der folgenden Aussagen kann daher nicht übernommen werden.
Auszubildende haben Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, sofern sich nicht in einem Wohnheim oder Internat untergebracht sind. Leistungsberechtigt sind außerdem Schüler/innen, Studierende an Fachschulklassen nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung sowie Studierende, wenn sie bei ihren Eltern wohnen. Außerhalb davon sind Student*innen weiterhin von Leistungen ausgeschlossen. Wer aufgrund von der Überschreitung der Altersgrenze keinen Anspruch mehr auf Bafög /BAB hat, erhält während der Ausbildung Leistungen nach dem SGB II, wenn diese Ausbildung (kein Studium!) zur Integration ins Erwerbsleben zwingend erforderlich ist. Anrechnung von Einkommen: Die Ausbildungsvergütung, BAB und Bafög werden wie Erwerbseinkommen behandelt. Für Studierende, die mit Hartz-IV-Empfängern zusammenleben, bedeutet dies in vielen Fällen eine Verschlechterung.
Bei einer vorläufigen Bewilligung aufgrund von schwankendem Einkommen kann der prozentuale Freibetrag entfallen (§ 41 a SGB II). Der Freibetrag wird erst bei der endgültigen Festsetzung der Leistungen berücksichtigt - sofern der Leistungsberechtigte dies innerhalb eines Jahres beantragt!
"Einnahmen in Geldeswert", also Sachleistungen, werden nur noch bei Bundes- oder Jugendfreiwilligendienst angerechnet. Wer neben seinem Erwerbseinkommen eine steuerbegünstigte Aufwandsentschädigung erhält, hat Anspruch auf einen Grundfreibetrag von 200 € (wenn die Aufwandsentschädigung weniger als 100 € beträgt dann maximal diesen Betrag und 100 €.) Von der Summe aus Aufwandsentschädigung und Erwerbseinkommens werden dann nach Abzug von 100 € noch 20% Freibetrag gewährt.
Nachzahlungen (etwa Kindergeld, aber auch Lohn) werden wie einmalige Einnahmen behandelt. Wenn es aufgrund der Höhe zu einem Wegfall der Leistungen käme, wird sie auf sechs Monate aufgeteilt.




Krisenerfahrung Hartz IV (15.08.2016)
Zur Analyse der Hans-Böckler-Stiftung

Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hat im Juli 2016 das Schwerpunktheft "Krisenerfahrung Hartz IV: Lebenssituationen im Grundsicherungsbezug" herausgegeben.
In diesem Sammelband, der online nur mit den Zusammenfassungen der einzeln Aufsätze zugänglich ist, werden sehr unterschiedliche Frage-stellungen behandelt.
Die Gewerkschaften hatten bekanntlich eine kritische Haltung gegenüber den Plänen zur Einführung des Hartz-IV-Gesetzes bezogen, ohne jedoch grundsätzlich dagegen zu sein. Denn es ging um das Versprechen, die Arbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren. Die bekannten Folgen werden im Editorial des Heftes beschrieben, wobei es unter anderem um die veränderte Einstellung zur Arbeitslosigkeit geht. Der "institutioneller Abstieg bei Arbeitslosigkeit wurde beschleunigt", heißt es dort. Arbeitslosigkeit erscheint zunehmend als "Ergebnis mangelnder Beschäftigungsfähigkeit und Konsessionsbereitschaft" und der erwerbslose Mensch trägt die Verantwortung für die eigene Arbeitslosigkeit.
Was wirklich verwundert ist, dass in dem Artikel "Zehn Jahre Hartz IV - eine kritische Würdigung" als Ziel eine wesentliche Verringerung der Armut bei gleichzeitiger Einsparung öffentlicher Mittel" benannt wird. Denn die soziale Ungleichheit hat sich deutlich erhöht.
Zwar reichen die Leistungen aus, um die "grundlegenden Bedarfe der Leistungsempfänger abzudecken, dass bei der Teilhabe jedoch deutliche Lücken auftreten. Daraus ergibt sich die Frage, inwieweit das SGB II tatsächlich seinen (in § 20, Abs. 1) selbst gestellten Anspruch einlösen kann, neben der Absicherung der alltäglichen Bedürfnisse der Leistungsempfänger auch ihre angemessene Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben zu gewährleisten."
Daraus wie aus weiteren Formulierungen (zumindest der Zusammen-fassung) lässt sich erkennen, wie vorsichtig die Kritik formuliert wird. So gibt es keine Untersuchung zu den Sanktionen. Denn die Gewerkschaften lehnen diese nicht grundsätzlich ab, allenfalls die härteren Strafen gegen jüngere Erwerbslose und die vollständige Streichung der Leistungen.
Dass Hartz-IV-Empfänger keinen einheitliche Schicht bilden und sich viele der Betroffenen sich der gesellschaftlichen Mitte zugehörig fühlen, ist das Fazit eines Artikels zur "Selbsverortung". Sie sehen diese und ihre eigene soziale Position jedoch zugleich als bedroht an und versuchen sich gegenüber vermeintlichen Unterschichten abzugrenzen, heißt es dort.
Nicht neu ist, was in zwei weiteren Aufsätzen beschrieben wird: dass Arbeitslose häufiger krank sind und weniger auf ihre Gesundheit achten.




12 Jahre Jenaer Montagsdemonstration (08.08.2016)
Und immer noch kein Grund zum Aufhören

Am Montag, 9. August 2004, fand auf dem Jenaer Holzmarkt die erste Montagsdemonstration gegen die Einführung des so genannten Hartz-IV-Gesetzes statt. Auch nach 12 Jahren gibt es noch viele Städte, in denen wöchentlich Proteste stattfinden.
Gast zur Kundgebung am 8. August 2016 ist MdL Ina Leukefeld (LINKE). Um 15 Uhr findet mit ihr im MobB e.V., Unterm Markt 2, eine Gesprächsrunde statt. Interessenten sind herzlich eingeladen.


Auch in Zeiten des Internets ist es nicht immer einfach festzustellen, in welchen Städten heute noch Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV stattfinden und ob es überhaupt noch Demonstrationen und nicht "nur" Kundgebungen wie seit vielen Jahren in Jena. Unabhängig davon, ob es nun zehn oder zwanzig oder mehr Orte sind, lautet die Fragen, warum sich immer noch Woche für Woche Menschen treffen, obwohl anzunehmen ist dass selbst diejenigen, die immer noch auf die Straße gehen, nicht mehr daran glauben, dass das Gesetz zurückgenommen wird, wenn nicht einmal die Mindestforderungen - die Erhöhung der Regelsätze und die Abschaffung der Sanktionen - mehrheitsfähig sind?
Ein Grund für das Anhalten der Proteste könnte sein, dass das Gesetz eigentlich der Bundesrepublik Deutschland, in deren Grundgesetz ein Sozialstaatsgebot verankert ist, unwürdig ist, wenn sich das Land nämlich auch als demokratische Gesellschaft versteht, in der die Würde des Menschen unantastbar ist. Denn das vorhandene Recht auf ein staatliches Existenzminimum wurde 2005 zur einzigen Möglichkeit von langzeitarbeitslosen Menschen. Die "Armut per Gesetz" hat in der Folge bekanntlich zu einer deutlichen Ausweitung des Niedriglohnsektors, der Minijob und Teilzeitarbeit geführt. Die Bezeichnung als Arbeitslosengeld II war von Beginn an falsch, da es ja eine Sozialhilfe für erwerbsfähigen Menschen war und ist.
Im Abstand der Jahre betrachtet, ist es tatsächlich gelungen, die Kosten der Arbeitslosigkeit zu senken. Der Preis dafür war nicht nur die "Armut per Gesetz" für alle Langzeitarbeitslosen, er war die Stigmatisierung als "Hartzis".
Die mögliche Unterschreitung des eigentlich staatlich garantierten Existenzminimums bei Sanktionen zeigt die Einstellung gegenüber Menschen, die es nicht schaffen, sich ausreichend auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren - so der beständige Vorwurf sich nur unter Androhung von Strafen um Arbeit zu bemühen. Sanktionen und deren Verschärfung mit dem 9. Änderungsgesetz betreffen bekanntlich nur ca. drei bis vier Prozent aller Erwerbslosen und dienen vor allem der Abschreckung. Denn rraurige Realität ist, dass diejenigen, denen die Leistungen gekürzt oder ganz entzogen werden, häufig so viele Probleme haben, dass sie Sanktionen nicht in Arbeit, sondern in die Obdachlosigkeit oder Kriminalität führen.
Die Proteste richten auch sich längst nicht nur gegen das Hartz-IV-Gesetz. Es geht auch um die soziale Entwicklung insgesamt - so die steigende Zahl armer Rentner/innen oder die Integration geflüchteter Menschen.
So gibt es keinen Grund, die Proteste einzustellen - in Jena ebensowenig wie anderswo in Deutschland.




"Einzelfälle" beim Jobcenter jenarbeit (01.08.2016)

Auch im elften Jahr der Hartz-IV-Beratung beim MobB e.V. ist die Zahl der Ratsuchenden nicht geringer geworden. Das so genannte Hartz-IV-Gesetz ist nicht nur kompliziert, es birgt auch zHlreiche Möglichkeiten behördlicher Willkür. Über solche Probleme (die Fälle stammen alle aus den vergangenen Monaten) will ich im Folgenden berichten:
Willkürliche Anrechnung von Einkommen: Eine Frau (alleinerziehende Mutter mit einem Kind) arbeitet auf selbständiger Basis als Kosmetikerin. Ihr Einkommen schwankt und liegt zwischen 300 und 600 €. Ihr Sachbearbeiter meint, sie könne durchaus mehr verdienen und setzt ein Einkommen von 1390 € fest, wodurch die Frau weniger nur noch 15 € Leistungen erhält.
Willkürliche Ablehnung der Übernahme von Betriebskosten: Ein Ehepaar mit zwei Kindern erwartet weiteren Nachwuchs. Das Jobcenter stimmt dem Antrag auf den Umzug in eine größere Wohnung zu, übernimmt auch die Kosten für den Umzug und das Material für die Renovierung Die Übernahme der Betriebskosten für die alte Wohnung wird mit der Begründung abgelehnt, der Umzug sei nicht auf Veranlassung der Behörde erfolgt.
Kostensenkungsaufforderung wegen 5,50 €: Eine junge Frau mit einem Kind wird aufgefordert, ihre Kosten der Unterkunft zu senken, weil die Bruttokaltmiete den zulässigen Wert von 415 € (der ohnehin für Jena zu niedrig angesetzt ist) um 5,50 € übersteigt. Erstattungsanspruch, aber kein Geld: Ein Mann wird zum wiederholten Male arbeitslos. Er hat zwar Anspruch auf ALG I, dies ist aber so gering, dass er aufstockend ALG II erhält. Das Jobcenter rechnet ALGI als Einkommen an, stellt aber einen Erstattungsanspruch an die Bundesagentur, so diese gar kein ALG I auszahlt.
Versagung von Leistungen I: Wer seine Unterlagen nicht einreicht, läuft Gefahr, dass ihm die Leistungen versagt werden. Der Betroffene muss jedoch schriftlich darauf aufmerksam gemacht werden. In diesem Jahr sind mit bereits zwei Fälle bekannt, in denen die Versagung ohne Vorwarnung einen Tag (!) nach Ablauf der auf dem Laufzettel festgelegten vierzehntägigen Frist ausgesprochen wurde. Hingegen kommt es vor, dass das Jobcenter mehrere Monate braucht, um Leistungen zu bewilligen. Versagung von Leistungen II: Wenn die Unterlagen eingereicht werden, müssen Leistungen gezahlt werden, und zwar für den gesamten Zeitraum. Ein Sachbearbeiter meinte wohl, Strafe müsse sein, und gewährte die Leistungen erst ab dem Tag, als die Unterlagen vollständig waren.
Als Mitglied des Werkausschusses des Jenaer Jobcenters versuche ich immer wieder, Probleme der Tätigkeit von jenarbeit anzusprechen. Das sind dann aber immer Einzelfälle...





BIP und NWI
Diskussion um "alternative Wohlfahrtsmessung" (25.07.2016)

Gerade erschienen ist eine Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung über Möglichkeiten, die Entwicklung in Deutschland nicht nur anhand des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu bestimmen. Ausgangspunkt der 38 Seiten umfassenden Untersuchung mit dem für einen Laien wenig verständlichen Titel "Wohlfahrtsmessung 'beyond gdp' - der Nationale Wohlfahrtsindex (NWI2016)" ist die Überlegung, dass sich das BIP nur noch "eingeschränkt als Maß für Wohlstand, Wohlergehen oder Lebensqualität eignet" (S. 4). Als Ursachen werden genannt, dass hier weder Umweltschäden noch deren Beseitigung berücksichtigt werden, auch die Verteilung des Einkommens, die Familien- oder ehrenamtliche Arbeit bleiben außer Betracht, weshalb das BIP als ein rein ökonomische Wertschöpfungsrechnung gilt.
Ziel der Forschung ist also ein Wechsel der Perspektive und damit verbunden ein zeitgemäßes Verständnis von Wachstum und Wohlfahrt. Daher wird ein neuer Ansatz versucht - die Ermittlung eines "nationalen Wohlfahrtsindexes" mit insgesamt 20 Komponenten, darunter die Einkommensverteilung, der privater Konsum, Haus- und ehrenamtliche Arbeit, aber auch öffentliche Ausgaben für Gesundheit und Bildung (wie für die Kinder- und Jugendarbeit) und die Qualität der Umwelt.
Auf dieser Grundlage wird in der Studie die Entwicklung des Wohlfahrtsindexes von 1991 bis 2014 dargestellt und mit der des BIP verglichen. Dabei zeigt sich, dass bis zum Ende des 20. Jahrhunderts die Entwicklung von BIP und NWI quasi parallel verlaufen, wobei beide steigen. Danach steigt nur noch das BIP, wobei um das Jahr 2010 aufgrund der Finanzkrise ein Einbruch zu verzeichnen ist - danach geht ökonomisch gesehen nur noch aufwärts.
Dagegen sinkt der Wohlfahrtsindex und befindet sich ab 2005 auf einem gleichbleibenden geringeren Niveau. Erst 2013 steigt er leicht an.
Der Anstieg der Wohlfahrt bis 1999 ist auf vor allem auf die Steigerung des privaten Konsums sowie die Verbesserung von Umweltbedingungen zurückzuführen (wobei allerdings die Luftverschmutzung stieg), sein Rückgang danach auf der steigenden Einkommensungleichheit, da diese als Komponente in den Index einfließt.
Insgesamt zeigt die Entwicklung des BIP - nur unterbrochen durch die Finanzkrise - einen kontinuierlichen Anstieg. Von 1991 - 2014 waren es 34,4%. Der NWI erhöhte sich in diesem Zeitraum gerade einmal um 4,5%, wobei die Finanzkrise kaum Auswirkungen hatte. In der Studie wurden auch die Kosten der "unfreiwilligen" Arbeitslosigkeit untersucht - diese steigen bis 2005 an, um dann wieder zu sinken, was wohl vor allem auf der Einführung von Hartz IV beruht.




Neuntes Änderungsgesetz zum SGB II (18.07.2016)
Mehr Verschärfung als Vereinfachung

Nach dem Bundestag hat nun auch der Bundesrat dem Neunten Änderungsgesetz zum SGB II zugestimmt, so dass es voraussichtlich zum 1. August 2016 in Kraft tritt. Das Ziel der Änderungen - eine "Rechtsvereinfachung" - wurde mit Sicherheit verfehlt.

Dabei gibt es Änderungen, die sich positiv auf die Situation von Betroffenen auswirken, und welche, die negative Folgen haben werden.
Zunächst muss festgestellt werden, dass die Bundesregierung die Empfehlungen des Bundesverfassungsgerichts über die Regelsätze aus dem Jahr 2014 (Zuschüsse für die Anschaffung großer Elektrogeräte, Erhöhung der Regelsätze bei deutlichen Preissteigerungen, etwa für Haushaltsstrom, Berücksichtigung der tatsächlichen Mobilitätskosten) nicht berücksichtigt hat. Außerdem wurde das für Hartz-IV-Empfänger günstige Urteil des Bundessozialgerichts bezüglich der Nachzahlungen von anderen Sozialleistungen (diese nur im Monat des Zuflusses zu berücksichtigen) durch das Änderungsgesetz zunichte gemacht. Wieder eingeführt wird auch die Möglichkeit, die Angemessenheit von Wohnraum aufgrund der Gesamtmiete festzulegen - ein Verfahren, dass das Bundessozialgericht bereits 2009 für rechtswidrig erklärt hatte.
Eine deutliche Verschlechterung ergibt sich für die sogenannten Aufstocker. Wer als Geringverdiener Leistungen beantragt und diese zum Beispiel aufgrund von wechselndem Einkommen vorläufig gewährt werden, erhält außer dem Grundfreibetrag keine Freibeträge. Um die Nachzahlung zu bekommen, muss diese dann innerhalb eines Jahres beantragt werden. Da der Freibetrag bis zu 230 € in Monat betragen kann, wird hier wieder einmal bei den Ärmsten gespart, noch dazu, wenn gleichzeitig das so genannte fiktive Einkommen zu hoch angesetzt wurde.
Die Strafen für "Arbeitsunwillige" werden verschärft. Zusätzlich zu den Sanktionen kann die Behörde Erstattungsansprüche geltend machen und das durch die (nicht erfolgte) Arbeitsaufnahme "entgangene" Arbeitsentgelt anrechnen. Hier ist zu erwarten, dass sich die Betroffenen zur Wehr setzen, noch dazu, wo immer noch nicht entschieden ist, ob Sanktionen verfassungsgemäß sind! Wenn die Bewilligungen jetzt für ein Jahr erteilt werden, so bedeutet dies zumindest die Einsparung von einigen mehreren Millionen Blatt Papier für die Weiterbewilligungsanträge und der entsprechenden Arbeitszeit. Gleichzeitig wird der automatisierte Datenabgleich auch auf Personen erweitert, die zur Bedarfsgemeinschaft gehören, aber selbst nicht leistungsberechtigt sind, was den Aufwand wieder erhöht.
Als einzige wirklich positive Änderung ist zu nennen, dass Auszubildende nicht mehr generell von Leistungen ausgeschlossen sind.




Bürgerrechtsbewegung gegen Armut? (11.07.2016)
Zum Armutskongress 2016

In der vergangenen Woche fand in Berlin der Armutskongress 2016 statt. Unter dem Motto "Zeit zu(m) Handeln" gab es an zwei Tagen Vorträge, Workshops und Diskussionen.
Ein Kongress, der vom Paritätischen Wohlfahrtsverband gemeinsam mit Organisationen wie dem VdK, der Volkssolidarität, Pro Asyl, dem Kinderschutzbund, den Tafeln und dem DGB organisiert wird. Den Eröffnungsvortrag hielt daher auch Anneliese Buntenbach zur Notwendigkeit einer "offensiven Armutspolitik".
Die im Programm aufgelisteten Vorträge und Workshops verweisen auf die nicht neuen, aber nach wie vor aktuellen Probleme: warum Armut krank macht und was Wohnungslosigkeit bedeutet, warum Alleinerziehende besonders von Armut betroffen sind und behinderte Menschen trotz des neuen Teilhabegesetzes benachteiligt werden.
Es ging auch um Migrant/innen, die laut statistischem Bundesamt mehr als doppelt so oft von Armut betroffen sind (26,7%) wie die deutsche Bevölkerung (12,5%).
Der Kongress befasste sich auch mit den Themen Arbeitslosigkeit und prekäre Beschäftigung, Altersarmut oder auch Armut als Folge von psychischen Erkrankungen.
Nach der Bestandsaufnahme ging es am zweiten Tag um das Handeln: warum zum Beispiel es so schwer ist, Arme zu mobilisieren oder auch sich selbst zu organisieren.
Eine wesentliche Frage, die sich die Akteure stellten, war: kann es eine Bürgerrechtsbewegung gegen Armut geben? Denn auf ein Handeln der Regierenden zu bauen, ist illusorisch.
Obwohl Wirtschaftsminister Gabriel ein Jahr vor den Bundestagswahlen sein soziales Gewissen aus seiner persönlichen Mottenkiste geholt hat, befindet sich das Thema Armut nicht gerade im Fokus der Bundesregierung - weder der jetzigen noch früherer. Denn seinen ersten Armutsbericht hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband bereits 1989 vorgelegt, weitere folgten 2009 und 2011, danach jährlich. Keine der Regierungen sah diese Berichte gern, hieß es doch immer, dass die Sozialleistungen Armut verhinderten. Wesentliche Korrekturen gab es nicht. Die relative Armut (von Menschen, die über weniger als 60% des mittleren Einkommens verfügen) hat in Deutschland deutlich zugenommen. zu. Waren vor 20 Jahren noch 11% der Bevölkerung betroffen, sind es inzwischen über 14%.
Der jüngste Bericht (siehe Flyer vom 23.02.2015) verweist nicht nur auf die regionale unterschiedliche Verteilung von Armut, sondern auch auf die Risikogruppen: Alleinerziehende und (zunehmend) Rentner/innen.




Bildungs- und Teilhabepaket (04.07.2016)
Offizielle Studie gibt Empfehlungen

Um die Regelsätze für Kinder und Jugendliche nicht anheben zu müssen, hatte die Bundesregierung vor fünf Jahren das so genannte Bildungs- und Teilhabepaket eingeführt. Darin waren Kostenerstattungen für Klassenfahrten, Schülerbeförderung, Lernförderung, kulturelle und sportliche Freizeitaktivitäten und den Schulbedarf vorgesehen. Bis auf das zuletzt Genannte müssen die Eltern für alles gesonderte Anträge stellen.
Jetzt wurde die Studie "Evaluation der bundesweiten Inanspruchnahme und Umsetzung der Leistungen für Bildung und Teilhabe" veröffentlicht. Der Abschlussbericht (in der Kurzfassung 44 Seiten, insgesamt 256) einer mehrjährigen Forschung kann von den Seiten des BMAS heruntergeladen werden.
Bei den Zahlen zur Inanspruchnahme wird wieder einmal deutlich, wie viele arme Kinder es in Deutschland gibt: 2013 waren es 2,5 Million Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, das sind 19% dieser Altersgruppe. 10% der jungen Erwachsenen (600.000) hätten bis zum 25. Lebensjahr auf die Leistungen zur Teilhabe Anspruch gehabt.
Wirklich genutzt wurde sie deutlich weniger. Eine aussagekräftige Statistik über in Inanspruchnahme gibt es nicht. Nach Berechnungen der Studie wurde der Zuschuss zur gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung von 30% genutzt (die Angebote gibt es natürlich auch nicht überall!), für Ausflüge und Klassenfahrten von 29%. Nur 12% nutzen die Möglichkeiten zur kulturellen/sportlichen Teilhabe. Als wesentliche Ursachen werden fehlende Informationen bzw. Angebote, vor allem aber die Notwendigkeit von Anträgen, deren Kompliziertheit und die Nachweispflicht gesehen.
In der Studie wird von Haushalten mit "unzureichendem Einkommen" gesprochen und davon, dass Eltern sogar auf Wunsch ihrer Kinder keine Anträge stellen, damit dieses nicht als "Hartzis" identifiziert werden können.
Nach der Analyse werden insgesamt 23 Empfehlungen ausgesprochen. Diese indirekte Kritik deckt sich mit der von Wohlfahrtsverbänden und anderen Organisationen. Vor allem geht es um die Verbesserung der Informationen und die Vereinfachung der Antragsverfahren.
Beim Zuschuss für das Mittagessen wird empfohlen auf den Eigenanteil verzichten, weil dies einen Verwaltungsaufwand bedeutet, der über den Kosten liegt, und die Mittel von den Eltern für andere Zwecke genutzt werden könnten. Auch sollte der Zuschuss für die Schülerbeförderung für alle Schüler/innen möglich sein (und nicht nur bei der entsprechenden Entfernung zur Schule), damit sie die Möglichkeit der Teilhabe an sportlichen und kulturellen Aktivitäten nutzen können. Der dafür vorgesehen Betrag von monatlich 10 € sei zu niedrig angesetzt und berücksichtige auch nicht die Folgekosten. Auch der Betrag von 100 € im Jahr für den Schulbedarf reiche nicht aus, es müssten Einmalleistungen möglich sein.




Demo-Flyer 2016: Januar - März, April - Juni

Demo-Flyer 2015: Januar - März, April - Juni, Juli - September, Oktober - Dezember

Demo-Flyer 2014: Januar - März, April - Juni, Juli - September, Oktober - Dezember

Demo-Flyer 2013: Januar - März, April - Juni, Juli - September, Oktober - Dezember

Demo-Flyer 2012: Januar - März, April - Juni, Juli - September , Oktober - Dezember

Demo-Flyer 2007 - 2011 (pdf): 2007,2008, 2009, 2010, 2011