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Ist Pflege keine Arbeit? (30.03.2015)
Zu einem Bericht des IAB

Was ist Arbeit? Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Soziologie unterscheidet mindestens vier verschiedenen Formen von Arbeit: Erwerbsarbeit, Familienarbeit, informelle Arbeit und ehrenamtliche Tätigkeit. Für Erwerbslose scheint es allerdings nur eine anzustrebende Form der Arbeit zu geben, nämlich die Erwerbsarbeit. Diesen Eindruck gewinnt man zumindest nach der Lektüre des Textes „Wie Leistungsbezieher Pflege und Arbeitssuche vereinbaren“ (IAB-Kurzbericht 5 /2015). Vermutlich deshalb, weil das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung ihre Studien im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit durchführt.
Dabei wird schon lange gefordert, zumindest die Familienarbeit (die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen, aber auch die Arbeit im Haushalt) als gleichberechtigte Form der Arbeit – auch finanziell - anzuerkennen. In dem genannten Bericht wird zunächst vom Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit gesprochen, die aufgrund der steigenden Zahl von pflegebedürftigen Menschen in Deutschland entsteht. Danach geht es dann um langzeitarbeitslose Menschen, die „im Spannungsfeld zwischen der Pflegearbeit und ihrer Pflicht zur Arbeitssuche“ stehen. Warum eigentlich?
Die Auswertung vorhandener Daten ergab, dass in 7,2% der Bedarfsgemeinschaft Angehörige gepflegt werden (bei „Nichtleistungsbeziehern“ sind es 5,6% - darunter befinden sich aber nicht nur Erwerbstätige, sondern Haushalte mit Rentner/innen).
Zwar sind Erwerbslose von der Pflicht zur Arbeitssuche ausgenommen, wenn die Pflege von Angehörigen einen bestimmten Zeit in Anspruch nimmt (fünf Stunden bzw. Pflegestufe III), die Jobcenter sind aber angehalten, die Arbeitslosen auf kommunale Leistungen hinzuweisen. „So kann Pflegenden beispielsweise bei der Suche nach Betreuungspersonal und damit bei der Integration in den Arbeitsmarkt geholfen werden.“
Im Bericht heißt es außerdem, dass pflegende ALG-II-Bezieher noch stärker unter seelischen Problemen leiden (28%) als Arbeitslose, die diese Familienarbeit nicht leisten (21%). Es gibt kaum Unterschiede bei der Erwerbstätigkeit zwischen Hartz-IV-Empfängern, die Angehörige pflegen und solchen, die es nicht tun. Pflegende sind praktisch genauso oft sozialversicherungspflichtig beschäftigt bzw. haben einen Minijob. Das ist nur auf den ersten Blick verwunderlich, da auch gesundheitliche Einschränkungen oder die Betreuung von Kinder die Pflicht der Arbeitssuche einschränken bzw. ganz ausschließen.
Es bleibt – bei offiziell drei Millionen Erwerbslosen - die Frage, warum das Ziel von Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, die „Integration in den Arbeitsmarkt“ sein muss und nicht die Pflege als Arbeit anerkannt wird.




Jahresbericht des Jobcenters jenarbeit (23.03.2015)

Einmal im Jahr wird dem Stadtrat ein Bericht zur Arbeit des Jobcenters jenarbeit vorgestellt. Was gibt es Neues - zehn Jahre nach Einführung des Gesetzes? 2014 wird im Bericht als ein „ruhiges“ Jahr bezeichnet, weil das SGB II 2014 nicht geändert wurde. Die Arbeitslosenzahlen sind seit 2013 unverändert, die Quote liegt in Jena bei etwa sieben Prozent. Auch werden nach wie vor fast zwei Drittel der Erwerbslosen durch jenarbeit betreut, da sie als langzeitarbeitslos gelten.
Überdurchschnittlich betroffen sind Menschen über 50. Insgesamt beziehen etwa 8.000 Menschen, darunter 2.000 Kinder unter 15 Jahren, Leistungen.
2014 fanden weniger Menschen eine neue Arbeit als noch im Jahr davor.
Gleich zu Beginn des Berichtes finden sich Sätze, die auf die Situation verweisen: auf der ersten Seite heißt es, dass die Arbeitslosigkeit weiter sinken würde, einige Sätze später ist davon die Rede, dass es immer schwieriger würde, ältere Arbeitslose und Langzeitarbeitslose zu vermitteln.
Fakt ist, dass die im zweiten Teil des Berichts ausführlich beschriebenen zahlreichen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen immer häufiger dazu dienen, Erwerbslose zu motivieren und an den Arbeitsmarkt heranzuführen – wo allerdings nur in wenigen Fällen eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit zu finden ist. Maßnahmen zur Betreuung, die Zusammenarbeit mit den Beratungsstellen der Stadt (Schuldner-, psychosoziale Beratung u.a.m.) nehmen immer breiteren Raum ein.
Bemerkenswert die Aussagen zu Widersprüchen und Klagen: 2014 wurden 1147 Widersprüche eingelegt (bei durchschnittlich knapp 5.000 Bedarfsgemeinschaften und 2.700 Neuanträgen). Noch immer kann die gesetzliche Vorgabe einer Bearbeitung innerhalb von drei Monaten nicht eingehalten werden. Bei 1.182 entschiedenen Widersprüchen wurden in 235 Fällen Abhilfebescheide erlassen. Mit den teilweisen Abhilfen ergibt sich eine Quote von einem Drittel. Im Bericht heißt es, dass zwei Drittel der Bescheide, gegen die Widerspruch eingelegt wurde, der rechtlichen Prüfung standhielten. Warum wurden dann 290 Klagen beim Sozialgericht eingereicht?
Im Bericht wird die Auffassung vertreten, dies liege daran, dass es einen „Trend zur 'Zweitmeinung' in Form eines Klageverfahren“ gäbe. Schuld daran seien wiederum die zum Teil kontroversen Urteile von Sozialgerichten.
Merke: jenarbeit macht (fast) alles richtig – was durch den Fachdienst Recht ja bestätigt wird – und wenn die Richter am Sozialgericht dies anders sehen, dann liegt dies daran, dass jenarbeit im „Sinne des Gesetzes und der jeweiligen Richtlinie korrekt gehandelt hat, aber im Widerspruch- bzw. Klageverfahren oder im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes unterliegt, da der jeweilige Sozialrichter immer eine eigene Beurteilung des Sachverhalts und eine eigene Auslegung des Gesetzes vornimmt und entscheidet.“ (S. 9) Schuld sind immer die anderen...




Bedarfs- oder Wohngemeinschaft? (16.03.2015)
Einstellung der Leistungen ist auf jeden Fall rechtswidrig

Auf der Internetseite „www.gegen-hartz.de“ wurde kürzlich unter der Überschrift „Jobcenter will Heirat verbieten?“ über den Fall eines Mannes aus Nordrhein-Westfalen berichtet. Dieser hatte das Jobcenter über seine bevorstehende Hochzeit informiert, woraufhin die Behörde die Leistungen einstellte und den Mann aufforderte, Verdienstbescheinigungen, Kontoauszüge und Unterlagen über Versicherungen, Bausparverträge usw. seiner zukünftigen Frau vorzulegen.
Das Jobcenter wollte also die Hochzeit nicht verbieten – im Gegenteil: bot es ihr doch die rechtliche Möglichkeit, die Frau finanziell verantwortlich zu machen. Dass es rechtswidrig ist, die Leistungen ohne Prüfung einfach einzustellen und so zum Beispiel Mietschulden zu provozieren, interessierte die Sachbearbeiter/innen offenbar nicht.
Der Mann tat dann das einzig Wirkungsvolle – er drohte mit einem Anwalt, worauf die Leistungen erst einmal weiter gezahlt wurden.
Auch bei jenarbeit kommt es immer wieder vor, dass Leistungen ohne Vorwarnung eingestellt werden, weil eine so genannte Einstandsgemeinschaft vermutet wird. Bei einer Heirat ändern sich die Verhältnisse, zum Beispiel auch die Krankenversicherung. Anders ist es, wenn ein nicht verheiratetes Paar eine gemeinsame Wohnung bezieht oder aber eine/r bei der/dem anderen einzieht. Obwohl eine Einstands-gemeinschaft nur dann angenommen werden kann, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen zutrifft: das Paar lebt länger als ein Jahr zusammen, es werden gemeinsam in der Wohnung Kind(er) oder andere Angehörige betreut und es bestehen Kontovollmachten.
In die Hartz-IV-Beratung des MobB e.V. kam eine Frau. Sie hatte einen Bekannten aufgenommen, der in einer anderen Stadt gearbeitet und arbeitslos geworden war. Nachdem sie diese Tatsache ihrem Leistungsbetreuer mitgeteilt hatte, stoppte dieser die Leistungen und forderte sie auf, Unterlagen über Einkommen und Vermögen des Mannes vorzulegen, damit er prüfen könne, ob überhaupt noch ein Anspruch auf Sozialleistungen bestünde. Ich riet der Frau mit dem Mann einen Untermietvertrag abzuschließen. Damit gingen wir gemeinsam zu dem Sachbearbeiter. Ich teilte ihm mit, dass es sich um ein Wohngemeinschaft handele und die Frau den Untermieter aufgenommen habe, um ihre Kosten der Unterkunft zu senken. Der Sachbearbeiter erklärte sich ohne weitere Diskussion bereit einen neuen Bescheid auszustellen und das Geld anzuweisen.
Die Frau war erfreut, aber sehr verblüfft. „Wie haben Sie denn das gemacht?“ fragte sie mich. Und ich überlegte: hat der Sachbearbeiter absichtlich rechtswidrig gehandelt oder wusste er es nicht besser?




"Unangemessene" Kosten der Unterkunft (09.03.2015)
Situation hat sich nicht verbessert

In der Sitzung des Werkausschusses von jenarbeit im Februar 2015 wurde eine Statistik zu den "unangemessenen" Kosten der Unterkunft vorgestellt.
Bekanntlich hatte die Stadt nach der Erarbeitung eines qualifizierten Mietspiegels ein "schlüssiges Konzept zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft" erarbeiten lassen, welches im Januar 2014 durch den Stadtrat mehrheitlich beschlossen wurde. Auf diese Weise gelang es der Verwaltung, einen jahrelangen Rechtsstreit zu ihren Gunsten vorläufig zu beenden. Hatte doch das Sozialgericht Altenburg die vorherige KdU - Richtlinie für rechtswidrig erklärt und die Stadt verpflichtet, die Wohngeldtabelle (plus eines Sicherheitsaufschlags von 10%) anzuwenden - was bei Bedarfsgemeinschaften mit einer Person eine um 80 € höhere angemessene Miete ergab!
Mit der Neuregelung waren die Richtwerte der Bruttokaltmiete für Haushalte mit einer bzw. zwei Personen nur geringfügig (um 11,50 € bzw. 10 €) erhöht worden und ich hatte damals vorausgesagt, dass sich die Zahl derjenigen Menschen, die in einem so genannten unangemessenen Wohnraum leben, nicht wesentlich verringern wird. Nach einer im September 2013 erstellten Statistik waren 1277 (25%) Bedarfsgemeinschaften betroffen, vor allem Alleinstehende, die auch mindestens 60% der Bedarfsgemeinschaften ausmachen. Hier lagen 28% (820) über den Richtwerten, bei den Bedarfsgemeinschaften mit 2 Personen waren es 33% (349). Nach der von jenarbeit jetzt vorgelegten Statistik lebten 793 Alleinstehende (28%) in zu teuren Wohnungen. Bei 2-Personen-Bedarfsgmeinschaften stieg der Anteil sogar auf 45%, betroffen waren 450 Paare bzw. Alleinerziehende mit einem Kind Dies hängt auch damit zusammen, dass der zuvor bei Alleinerziehenden bewilligte Mehrbedarf von 10% (ca. 38 €) gestrichen worden war.
Bei wie vielen Alleinstehenden bzw. Familien nicht die volle Miete übernommen wird, wurde nicht mitgeteilt.
Die Stadt sieht keinen Änderungsbedarf, da ihrer Meinung nach genügend Wohnraum vorhanden sei und das Problem vor allem dadurch verursacht würde, weil die Wohnungen zu groß seien.
Bewegung gibt es allerdings doch. Das Sozialgericht Mainz hat mit einem so genannten Vorlagebeschluss (vom 12.12.2014 - S 3 AS 130/14) das Bundesverfassungsgericht angerufen. Die Richter vertreten die Auffassung, dass der § 22 SGB II (" Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.") verfassungswidrig ist, weil der Begriff der Angemessenheit nicht näher bestimmt wurde. Genauso ist unklar, unter welchen Umständen von unangemessenen Kosten auszugehen sei.




Sind die Teilnehmer/innen von Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV linksextrem? (02.03.2015)

An der Freien Universität Berlin wurde jetzt ein Buch unter dem Titel "Gegen Staat und Kapitel - für die Revolution!" veröffentlicht. Dahinter verbirgt sich eine empirische Studie zum Linksextremismus in Deutschland. "Linksextreme Einstellungen weit verbreitet" hieß in den Pressemeldungen. Diese Aussage löste bei vielen Lesern Erstaunen und Befremden aus, und so wollten die Macher der Seite "www.metronaut.de" es genauer wissen und baten die Autoren ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Daher kann eine Zusammenfassung der Ergebnisse dort herunter geladen werden. Die Autoren versprechen, Linksextremismus und Rechtsextremismus nicht gleichzusetzen, sondern zu vergleichen und bieten folgende Definition an: als linksextrem gilt unter anderem, wer "den Vorrang des Individuums im demokratischen Pluralismus zugunsten einer kollektiven Homogenitätsvorstellung ablehnt" (S. 4). Was die Verfasser linksextreme Einstellungen verstehen, zeigen sie anhand ihrer Fragen. So stellten sie fest, dass sich immerhin sich 13% der Befragten vorstellen können, eine Partei links von der LINKEN zu wählen. 42% (im Osten sogar 54%) sind unzufrieden mit der praktizierten Demokratie. Sie glauben, dass der Einfluss der Wirtschaft auf die Politik zu groß sei und 30% sind sogar der Auffassung, dass eine echte Demokratie nur ohne Kapitalismus möglich sei! Und es kommt noch schlimmer: knapp ein Fünftel der Westdeutschen und ein Viertel der Ostdeutschen "plädieren für eine Revolution zur Verbesserung der Lebensbedingungen" (S.9) Allerdings würden lediglich 7% der Befragten politische Ziele mit Gewalt durchsetzen wollen. Nur wenig mehr sprechen sich für die Abschaffung des staatlichen Gewaltmonopols aus. Offenbar aufgrund dessen unterscheiden die Verfasser "radikale" und "extreme" Linke.
Wer wissen wie es um seine Einstellungen steht, kann sich selbst testen, denn auf der oben genannten Internetseite wurden auch die Fragen der Studien veröffentlicht.
Zum Linksextremen wird, wer das Durchsetzen von Zielen mit Gewalt befürwortet, radikal ist man bereits, wenn man die Aussagen bejaht, das Kapitalismus zwangsläufig zu Armut und zu kriegerischen Auseinandersetzungen führt. Oder dass der Sozialismus eine gute Idee war, die nur schlecht umgesetzt wurde.
Aber auch Menschen, die Rechtsextremen das Demonstrationsrecht verbieten wollen oder meinen, die deutsche Außenpolitik sei rassistisch und Deutschland solle alle Menschen aufnehmen, die hier Zuflucht suchen, wird zum Linksradikalen. Vermutlich sind wir alle linksradikal.
Aber testet Euch selbst!




Abgehängt und ausgegrenzt (23.02.2015)
Zum neuen Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat seinen neuen Armutsbericht vorgestellt. Der Titel "Die zerklüftete Republik" weist darauf hin, dass es unter anderem um Unterschiede in der regionalen Entwicklung geht.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Armut in Deutschland mit einer Quote von 15,5% einen neuen traurigen Rekord erreicht hat und 12,5 Millionen Menschen betroffen sind.
Die regionalen Unterschiede haben dabei zugenommen. In dem am wenigsten betroffenen Bundesland - Bayern - müssen 11,3% der Menschen als arm gelten, in Mecklenburg-Vorpommern sind es 23,6%.
Neben Berlin und Bremen leben auch im Ruhrgebiet überdurchschnittlich viele arme Menschen. So hat Im Großraum Köln/Düsseldorf die Armut seit 2006 um 31% zugenommen!
Niemanden wird es verwundern, dass Erwerbslose und Alleinerziehende die hervorstechenden Risikogruppendarstellen. "Über 40 Prozent der Alleinerziehenden und fast 60 Prozent der Erwerbslosen in Deutschland sind arm. Und zwar mit einer seit 2006 ansteigenden Tendenz", heißt es in dem Bericht.
Während die Kinderarmut weiterhin hoch ist und 19,2% beträgt, nimmt die Altersarmut deutlich zu. Inzwischen sind mehr als 15% der Rentnerinnen und Rentner betroffen. Im Jahr 2006 waren es noch ca. 10%.
Kein Wunder, dass dieser Bericht keine Freude auslöst. In einem Kommentar war zu lesen, dass es vor allem deshalb mehr Arme gäbe, weil das Einkommensniveau gestiegen sei.
Tatsächlich wird Armut so gemessen, denn als arm gilt, wer weniger als 60% des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung hat. Es geht also um die relative Armut und damit die zunehmende Ungleichheit im Land. Der wirtschaftliche Aufschwung geht an immer mehr Menschen vorbei.
Auffällig ist, dass die Zahl der Erwerbslosen und damit die Zahl der Hartz-IV-Empfänger deutlich gesunken - die Zahl der Armen aber gestiegen ist.
Das weist auf die wachsende Zahl von Erwerbstätigen im Niedriglohnsektor hin. So verstärkt sich die Einkommensarmut. Dies zeigt sich auch in Thüringen. Hier erhalten 11,3% der Menschen Leistungen nach dem SGB II, aber 18% leben in Armut. Als Konsequenz seiner Berichtes fordert der Wohlfahrtsverband umfassendes Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Neben einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze in Hartz IV seien insbesondere Reformen des Familienlastenausgleichs und der Altersgrundsicherung erforderlich, um Armut wirksam vorzubeugen, heißt es in der Pressemitteilung. Notwenig sei auch eine öffentlich geförderte Beschäftigung.




Viele Klagen, gesunkene Erfolgsquote (16.02.2015)
Jahresbericht des Landessozialgerichts Thüringen

Das Thüringer Landessozialgericht hat für das Jahr 2013 erstmals einen Jahresbericht auf seiner Internetseite veröffentlicht, außerdem kurze Erläuterungen zu einigen Urteilen. Diesem Bericht zufolge wurden 2013 an den die vier Thüringer Sozialgerichten Altenburg, Gotha, Nordhausen und Meiningen knapp 17.000 Klagen eingereicht. Insgesamt gab es somit beinahe 24.000 nicht erledigte Verfahren.
Mehr als die Hälfte aller Fälle betrafen das Hartz-IV-Gesetz, danach folgen mit 15% gerichtliche Auseinandersetzungen zum Rentenrecht. Die Sozialgerichte sind außerdem für die Kranken- und Unfallversicherung zuständig, außerdem für das Schwerbehindertenrecht sowie weitere Regelungen im sozialen Bereich.
Die meisten Klagen - mehr als 26.000 - wurden im Jahr 2010 eingelegt. Deutlich gesunken ist auch die Zahl der Eilanträge, von 1.830 im Jahr 2009 auf etwa 1.000, wobei mehr als drei Viertel auf Probleme mit der Grundsicherung zurückzuführen sind. Auch die Erfolgsquote der Klagen gegen Hartz IV ist von 58% im Jahr 2010 auf 43% gesunken. Mehr Erfolg gab es bei den Eilverfahren. Von 759 Eilverfahren endeten 355 Verfahren mit vollem oder teilweisem Erfolg für die Betroffenen, was einer Quote von rund 47% entspricht.
Zwischen dem Einreichen der Klage und der Erledigung lagen im Durchschnitt 17 Monate. Ein Viertel der Verfahren dauerte bis zu 2 Jahren, 20% waren innerhalb von 6 Monaten erledigt. Am "schnellsten" ging es beim Sozialgericht Altenburg mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 14,8 Monaten. Am längsten dauern überall gerichtliche Auseinandersetzungen zum Rentenrecht. Erheblich gestiegen sind die Kosten, insbesondere die Ausgaben für die Prozesskostenhilfe. Lagen diese im Jahr 2005 bei ca. 190.00 €, betrugen sie 2013 bereits über 2,3 Millionen Euro.
Erhöht hat sich auch die Zahl der Beschwerden, die gegen Urteile oder auch die Nichtzulassung von Klagen eingelegt wurden. Ein Urteil zum SGB II zeigt, dass Richter durchaus gegensätzlichen Auffassungen haben können: So wollten sie im Unterschied zu ihren Kollegen beim Sozialgericht Berlin zeitlich unbegrenzt nur die bisherigen Kosten der Unterkunft zahlen, wenn der Umzug nach Auffassung der Behörde nicht erforderlich war (Urteil vom 06.06.2013 - L 9 AS 1301/11). Das Berliner SG sah eine Frist von zwei Jahren, da sich dann auch in der ursprünglichen Wohnung die Kosten erhöht haben würden.
Das LSG Erfurt ist ebenfalls der Auffassung, dass Kontoauszüge völlig ohne Schwärzungen vorgelegt werden müssen (Beschluss vom 30.05.2013 - L 7 AS 677/13 B ER)




Klein gerechnet (09.02.2015)
Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze im Jahr 2015

Die Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes wird bekanntlich anhand des Konsumverhaltens von Menschen errechnet, deren Einkommen gering ist, aber immer noch über dem Niveau der Grundsicherung liegt. Dieses Verfahren wird unter anderem deshalb kritisiert weil das Existenzminimum so unabhängig von der allgemeinen Einkommensentwicklung festgelegt wird. Die Personengruppe (die untersten 15%) verfügt nur über ein Drittel des durchschnittlichen Einkommens.
Nach der Neuberechnung der Regelsätze aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts, die auf der Basis der Einkommens- und Verbraucherstichprobe des Jahres 2008 erfolgte, muss die Regierung nun eine Überprüfung mit den Daten des Jahres 2013 vorlegen In einem gerade veröffentlichten Aufsatz (Irene Becker: Der Einfluss verdeckter Armut auf das Grundsicherungsniveau.
Hans-Böckler-Stiftung, Arbeitspapier 309, Januar 2015) wird gezeigt, welche Auswirkungen es der Berechnung des gesetzlichen Existenzminimums vor fünf Jahren hatte, dass Haushalte berücksichtigte wurden, die Anspruch auf Grundsicherung hatten, diesen aber nicht geltend machten. Diese so genannte verdeckte Armut betrifft nicht wenige Menschen. Schätzungen zufolge verzichten - aus Unkenntnis oder Scham und weiteren Gründen - bis zu 40% auf staatliche Leistungen, auf die sie eigentlich Anspruch hätten. Das Bundesverfassungsgericht hatte für die Neuberechnung der Regelsätze gefordert, diese Haushalte unberücksichtigt zu lassen. Die Bundesregierung war dem nicht gefolgt - wohl aus Angst, dass dann der Regelsatz eine politisch nicht gewollte Höhe erreicht hätte. Irene Becker weist anhand eigener Berechnungen nach, dass der Unterschied lediglich 12 € betragen hätte. Klein gerechnet wurde der Regelsatz vor allem durch die Streichung so genannter regelbedarfsrelevanter Güter (Tabak und Alkohol, Schnittblumen, Weihnachtsbäume u.a.m) aus dem Regelsazu, so dass auf diese Weise 31 € "eingespart" werden konnten. Wären die Vorgaben des obersten Gerichts umgesetzt worden, hätten insgesamt 45 € mehr gezahlt werden müssen. 2011 statt 364 € also mindestens 409 €! "Es bleibt demnach eine Aufgabe von Wissenschaft und Verbänden, die im Jahr 2015 anstehende Überprüfung der Regelbedarfsermittlung auf Basis der EVS 2013 aufmerksam zu beobachten", schreibt Irene Becker abschließend. Notwendig sei eine gesellschaftspolitische Diskussion zur angemessenen Höhe des Grundsicherungsniveaus, bei der die Entwicklung der Einkommen insgesamt berücksichtigt wird.
Das durchschnittliche Nettoeinkommen in Deutschland liegt derzeit monatlich bei ca. 2.000 Euro. Als arm gilt, wer weniger als 60% davon zur Verfügung hat.




Jobcenter und "Jobwunder" (02.02.2015)

Hartz IV war mit dem Versprechen eingeführt worden, die Arbeitslosigkeit zu senken. Tatsächlich ging die Arbeitslosigkeit in den darauf folgenden Jahren deutlich zurück. Das "Jobwunder" beruhte allerdings auf Niedriglohn und Leiharbeit, Teilzeitbeschäftigung und Minijobs. Die Angst vor dem Absturz in Hartz IV, die Pflicht jede zumutbare Arbeit anzunehmen, aber auch die Konjunktur trugen ebenfalls ihren Teil dazu bei.
Irgendwann aber sind die Möglichkeiten solcher Maßnahmen erschöpft. Wie aus einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervorgeht, fanden im vergangenen Jahr von mehr als einer Million Langzeitarbeitsloser gerade einmal 94.000 Menschen eine neue Arbeit oder begannen eine Ausbildung. Ein Jahr später waren noch etwa die Hälfte von ihnen beschäftigt. Aber selbst ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bedeutet "dank" Niedriglohnsektor in vielen Fällen nicht das Ende des Hartz IV - Bezugs. Dies gelang nur einem Drittel. Zwei Drittel wurden von Arbeitslosen zu "Aufstockern".
Auch fallen längst nicht alle, die länger als ein Jahr (oder in wenigen Fällen anderthalb Jahre) arbeitslos sind, ins Hartz IV - System. 130.000 haben keinen Anspruch auf Leistungen - in der Mehrzahl der Fälle, weil der Partner zu viel verdient, mitunter weil zu viel Vermögen vorhanden ist So darf ein fünfzig Jahre alter Mensch nicht mehr als 8.250 € Vermögen haben. Gerade ältere Männer und Frauen, die sparsam gelegt und keine Arbeit mehr finden, müssen von erst einmal ihrem Erspartem leben.
Es ist ja nun nicht so, als würde die Regierung die Probleme nicht sehen, Jedoch kommt Frau Arbeitsministerin Nahles nicht auf die Idee, etwa die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wieder einzuführen oder geförderte Arbeitsplätze in größerem Umfang zu schaffen, nein, die Arbeitgeber sollenmit Zuschüssen "überzeugt" werden, Langzeitarbeitslose einzustellen.
Dafür will sie jetzt den Mindestlohn überprüfen lassen. Vor allem geht es um die Dokumentationspflicht von Arbeitgebern, die der Koalitionspartner CDU am liebsten abschaffen würde. Der Arbeitszeitnachweis soll verhindern, dass der Mindestlohn umgangen wird. Dass Firmen auf diese Weise versuchen, ihr Mitarbeitern weniger zuzahlen, ist durch Medienberichte längst bekannt. So sollen Zeitungsausträger ihre minderjährigen Kinder als Vertragspartner eintragen, weil diese vom Mindestlohn ausgenommen sind. Beschäftigte werden zu (Schein)selbständigen. In Gaststätten wird das Trinkgeld eingesammelt, verteilt und auf den Mindestlohn angerechnet. Arbeiten im Hotel oder auf der Baustelle können plötzlich in noch kürzerer Zeit erledigt werden - die Liste ließe sich fortsetzen. Obwohl Langzeitarbeitslose vom Mindestlohn ausgeschlossen sind, sieht es dagegen nicht so aus, als würden die Jobcenter plötzlich viele Angebote für sie haben.




Zumutbare Arbeit und Niedriglohn (26.01.2015)

Der "Focus" wusste es wieder einmal ganz genau: "Hartz IV lohnt sich oft mehr als ein Job." (zitiert nach der Online Ausgabe vom 22.01.2014). Dass eine solche Behauptung zehn Jahre nach der Einführung des Gesetzes immer noch verbreitet wird, lässt zwei Schlüsse zu: die Journalisten haben (immer noch) keine Ahnung, oder sie verbreiten bewusst falsche Informationen. So heißt es im Text: "In vielen Jobs liegt der Verdienst unter dem Niveau der Hartz-IV-Zahlungen. Das Bruttoeinkommen einer Familie mit einem Kind muss beispielsweise bei 1740 Euro liegen, damit sie mehr hat, als wenn sie Hartz IV bezöge. Das macht bei einer 37,5 Stunden-Woche einen Stundenlohn von 10,65 Euro."
Allerdings gab es bereits vor der Einführung von Hartz IV im Bundessozialhilfegesetz das so genannte Lohnabstandsgebot, so dass die Sozialhilfe mindestens 25% unter der untersten Entgeltgruppe lag. Seit 2005 wird der entsprechende Abstand über die Erwerbstätigenfreibeträge geregelt. Wer also ein Bruttoeinkommen von 1740 € und mit seiner Familie ergänzende Leistungen erhält, dem wird ein Freibetrag von 330 € zuerkannt.
Zwar wird in dem Artikel nicht explizit gesagt, dass der Regelsatz zu hoch sei und daher die Suche nach Arbeit verhindere, aber es werden wieder einmal Vorurteile geschürt. Ziel ist die Annahme jeder Arbeit, die laut Hartz-IV-Gesetz zumutbar ist. Wie das konkret aus sehen kann, war kürzlich auf www.hartiv.org nachzulesen.
So hatte das Jobcenter Gera 202 Langzeitarbeitslose - unter Androhung einer Sanktion wegen eines Meldeversäumnisses - zu einer "Informationsveranstaltung" eingeladen mit dem Ziel, Arbeitskräfte für das Logistikzentrum eines - durch aggressive Werbung bekannten Online-Versandhändlers - zu vermitteln, der noch dazu wegen seiner Arbeitsbedingungen mehrfach in die Kritik geraten war. Der Arbeitsverträge waren auf ein Jahr befristet und der Arbeitsort war Erfurt, was eine tägliche Fahrzeit von mindestens drei Stunden bedeutete.. Eine zumutbare Arbeit?
Der Bruttolohn für eine Vollzeitstelle betrug 1567 €, lag also knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 €. Der als Erfolg gefeierte Mindestlohn liegt allerdings seit Jahren unter der Niedriglohnschwelle. Diese wird bei zwei Dritteln des mittleren Brutto-Stundenlohns angesetzt - im Jahr 2012 waren das bereits 9,30 €. So kommt ein Bericht des Instituts für Arbeit und Qualifikation der Universität Dusiburg-Essen (IAQ-Report 2014-02) zu dem Ergebnis, dass in diesem bereits 24,3% aller abhängig Beschäftigten für einen Stundenlohn unterhalb der bundeseinheitlichen Niedriglohnschwelle von 9,30 € arbeiten und daher zwischen 13% und 19% eine Lohnerhöhung zu erwarten hätten. Noch gibt es dazu keine Erkenntnisse.




Zufriedenheit beim Jobcenter jenarbeit (19.01.2015)
Eine Frage der Perspektive

Wie zufrieden sind die "Kunden" mit der Arbeit des Jobcenters Jena? Das wollte der Eigenbetrieb wissen und ließ von der Orbit GmbH in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Jena eine Befragung durchführen. Die Ergebnisse können auf den Internetseiten des Eigenbetriebes nachgelesen werden. (Die Resultate der ebenfalls durchgeführten Befragung der Mitarbeiter/innen wurden nicht veröffentlicht.)
Von den angeschriebenen ca. 5.000 Bedarfsgemeinschaften beteiligten sich 812 an der Befragung. Statistisch gesehen, handelt es sich um eine repräsentative Umfrage. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich wahrscheinlich eher Menschen beteiligen, die zufrieden mit der Arbeit der Behörde sind. Würde man eine solche Befragung im MobB e.V. durchführen, sähen die Ergebnisse vermutlich anders aus.
Die Befragung bestand aus vielen Einzelaussagen mit dem üblichen Wahlmöglichkeiten (von "stimme ich voll zu" bis "stimme ich gar nicht zu"). Allein für den Bereich der Leistungsbetreuung waren 14 Aussagen zu bewerten. Die höchste Zustimmung (90,2%) wurde bei der Aussage erreicht, dass der/die Sachbearbeiter/in direkt telefonisch erreichbar ist. Darin unterscheidet jenarbeit tatsächlich von vielen Jobcentern, die nur über eine Hotline zu erreichen sind. Die Frage, ob die Sachbearbeiter/innen für allgemeine Fragen zur Verfügung stehen, wird von mehr als zwei Dritteln der Befragten bejaht. Dass das Jobcenter keine "normale" Behörde ist, lässt sich daran erkennen, dass nur ein Drittel der Befragten der Aussage "Beim Betreten von Jenarbeit empfinde ich die Atmosphäre als angenehm" zustimmen wollten. Die Mehrzahl der Befragten erhielten ihre Leistungen innerhalb eines Monats nach Antragstellung, 16% (130) mussten länger als vier Wochen auf ihr Geld warten.
Viele Ergebnisse der Befragung sind alles andere als überraschend: so dass mehr als 54% der Befragten die Frage "Glauben Sie, dass eine erfolgreiche Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung für Sie möglich ist?" verneinten und die Hoffnung Arbeit zu finden, mit der Dauer der Arbeitslosigkeit abnimmt. Gerade einmal ein Viertel der Befragten hat durch die Vermittlung von jenarbeit Arbeit gefunden. Über 90% der Befragten wollen arbeiten, aber weniger als die Hälfte sehen ihre Bewerbungsbemühungen als erfolgreich an.
Am Schluss der Befragung gab es die Möglichkeit Anmerkungen zu machen, wovon allerdings nur von 10% der Befragten Gebrauch machten und deutliche Kritik übten, so am Verhalten einzelner Leistungsbetreuer, das als "unfreundlich und herablassend" beschrieben wurde, der langen Bearbeitungsdauer von Anträgen oder willkürlichen Änderungen bei Leistungen. Lob gab es auch (siehe Seite 36).




"Angst und Wut im Jobcenter" (12.01.2015)
Eine Pressemitteilung und ihre Folgen

Zwei Tage vor der 500. Montagsdemonstration schicke ich - wie immer anlässlich solcher "Jubiläen" - eine Pressemitteilung an die örtlichen Zeitungen bzw. Internetredaktionen.
Am 22. Dezember 2014 erschien diese im (fast vollständigen) Wortlaut auf der Titelseite der TLZ Jena. Die Überschrift lautete: "Angst und Wut im Jobcenter". Dies hatte ich auch geschrieben, und zwar in folgendem Zusammenhang: "Zehn Jahre Hartz IV haben die Gesellschaft verändert. Das Ziel, die Senkung der Arbeitslosigkeit, wurde mit Niedriglohn und prekärer Beschäftigung erkauft. Zur finanziellen Not der Arbeitslosen und Geringverdiener kommen Diskriminierung und Bevormundung. Angst oder auch Wut sind häufige Begleiter im Jobcenter."
Eine Woche später, am 29.12.2014 erhielt ich wie alle Mitglieder des Werkausschusses von jenarbeit eine Mail mit einem Brief des Werkleiters, in dem er sehr deutlich seine Kritik zu meinen Äußerungen zum Ausdruck brachte. Er war der Meinung, es sei das Jobcenter Jena gemeint und da seine Mitarbeiter mit größerer Betroffenheit reagiert hätten, müsste er sich äußern. Was mich vor allen überraschte, war seine Auffassung, ich würde mit meinen Aussagen die "Leistungsberechtigten diskreditieren".
Während wir noch überlegten, wie wir mit dem Schreiben umgehen sollten, wurden wir am 6. Januar 2015 von einem Artikel überrascht, der sowohl in der TLZ als auch in der OTZ erschien und in dem Passagen des Briefes zitiert wurden. Ein stellvertretendes Mitglied des Werkausschusses, seines Zeichen Ortsteilbürgermeister von Neu-Lobeda, hatte die Mail an die Presse weitergeleitet. In dem Artikel hieß es unter anderem: "Man könne den Satz von Dr. Beate Jonscher als dramatisch dargestellte Situation von einzelnen, wenigen Leistungsberechtigten verstehen, so der Werkleiter. Andererseits könnte man daraus auch einen Aufruf zu Aufsässigkeit und Gewaltbereitschaft interpretieren. Es sei nur wenige Wochen her, dass ein Mitarbeiter in einem bayerischen kommunalen Jobcenter angegriffen und tödlich verletzt wurde."
Der Artikel wurde auf den Internetseiten der OTZ und der TLZ ausführlich und wie zu erwarten kontrovers diskutiert. Die Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Stadtrat, Martina Flämmich-Winckler, wandte sich ebenfalls an die Presse. Am 7. Januar erschien ein weiterer Artikel unter der Überschrift "Das geht eine Runde zu weit", in dem sie unter anderem die Frage stellte, inwieweit "Mitarbeiter städtischer Betriebe Stadträte derart maßregeln dürften".
Einen Tag später erhielten wir einen weiteren Brief aus dem Jenaer Jobcenter: diesmal mit einem Gesprächsangebot. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es annehmen sollte.




"Mitleidsökonomie" (05.01.2015)
Ein Forschungsprojekt zu "alternativen Formen der Armutsbekämpfung"

Diesen Begriff haben Wissenschaftler erfunden. "Alternative Formen der Armutsbekämpfung: Die Neue Mitleidsökonomie" lautet der Titel eines gemeinsamen Projektes der Universitäten Duisburg-Essen und Dortmund. Als Teil davon wurde eine Online-Befragung zu "spendenbasierten Angeboten" durchgeführt, an der auch der MobB e.V. beteiligt war.
Ausgangspunkt für die Untersuchung war die Beobachtung, dass sich in den vergangenen Jahren ein neues System entwickelt hat, in welchem "überschüssige" Güter an bedürftige Menschen verteilt werden, deren Zahl sich deutlich erhöht hat. Ziel des Projektes war daher war zum einen die Bestandsaufnahme, zum anderen sollte das Potential dieser neuen Form der "Armutsbekämpfung" ermittelt werden.
Zur Durchführung der Befragung wurde bundesweit nach entsprechenden Enrichtungen. "In insgesamt 45 Kommunen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg, recherchierten wir 608 Einrichtungen, die zusammen 847 mitleidsökonomische Angebote vorhielten" heißt es im Bericht. Ausgewertet wurde letztendlich 132 Fragebögen, wobei die Ergebnisse als Präsentation per Mail übersandt wurden.
Die am häufigsten genannte Ursache für die Gründung der Einrichtung war die "Wahrnehmung einer zunehmenden Armut in Deutschland". Dazu passt, dass 80% der Angebote erst nach 1995 entstanden sind. Gleichzeitig wuchs die Spendenbereitschaft der Bevölkerung, aber auch des Handels. Suppenküchen, Kleiderkammern, Sozialkaufhäuser und Lebensmittel-ausgaben entstanden in einem bisher nicht bekannten Ausmaß.
Organisiert werden die Angeboten überwiegend von kirchlichen Einrichtungen wie der Diakonie oder der Caritas, 16% aber gehören keinem Träger an. Fast alle Einrichtungen bieten eine "Kombinationen aus mitleidsökonomischen Hilfsleistungen und anderen sozialen Dienstleistungen" wie Beratung, Treffen und weiteres an.
Festgestellt wird auch eine zunehmende Professionalisierung, die sich unter anderem darin zeigt, dass 71% der Einrichtungen hauptamtliche Mitarbeiter/innen beschäftigen. Der Hauptteil der Arbeit wird aber von Ehrenamtlichen sowie durch öffentlich geförderte Beschäftigung erledigt, wobei mehr als die Hälfte der vor Ort Tätigen die Angebote selbst nutzt. Finanziert werden diese überwiegend durch Spenden (Privatpersonen und den Handel), aber auch durch eigene Einnahmen. Eine Bedürftigkeitsprüfung findet vor allem bei der Ausgabe von Lebensmitteln statt, weniger in den Kleiderkammern oder den Sozialkaufhäusern. Vorgestellt wurden die Ergebnisse der Online-Befragung. Welches "Potential" die Angebote zur Armutsbekämpfung haben, war darin nicht zu erkennen.




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