Demo-Flyer





April - Juni 2013
Der "besondere" Mensch (24.06.213)
Hartz-IV-Empfänger und das Hochwasser oder alles muss geregelt sein

Am 7. Juni 2013 fragte der Verein Tacheles e.V. bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) an, ob beabsichtigt sei "zum Thema Umgang Hochwasserhilfe und Sozialleistungen Dienstanweisungen rauszugeben, dieses wurde von dort definitiv verneint. Da offensichtlich kein ausreichendes Problem-bewusstsein bei der BA Spitze vorhanden ist, muss dies halt aus Beratungsstellensicht durchgeführt werden."
Unter www.tacheles-sozialhilfe.de sind nun sehr ausführliche Informationen zum Thema Hochwasserhilfen zu finden. Diese sind nicht nur für Menschen gedacht, die Sozialleistungen beziehen, sondern ausdrücklich auch an Geringverdiener und Renter/innen gerichtet.
Da geht es um die Beantragung von Kurzarbeitergeld für Betriebe, die Hochwasserschäden erlitten haben, aber auch darum, dass bei Verdienstausfall Sozialleistungen beantragt werden können, weil es nicht darauf ankommt, ob eine Erwerbsarbeit vorliegt oder nicht, sondern darauf, ob derzeit finanzielle Mittel zu Lebensunterhalt vorhanden sind.
Wer im Hartz-IV-Bezug ist, kann bei Verlust der Wohnungseinrichtung eine Erstausstattung beantragen. Aber Vorsicht: Er bekommt nur das, was er tatsächlich nicht hat. Wenn er also einen Schrank geschenkt bekommt, kann keinen mehr beantragen! Die Höhe des Zuschusses ist außerdem in den einzelnen Kommunen sehr unterschiedlich.
Instandsetzungskosten der Wohnung sind - sofern sie nicht vom Vermieter oder der Versicherung übernommen werden - Kosten der Unterkunft und müssen von Jobcenter übernommen werden. Hier stellt sich die Frage, ob das das Jobcenter auch weiß bzw. wissen will - Widersprüche und Klagen scheinen vorprogrammiert.
Staatliche Hochwasserhilfen dürfen nicht angerechnet werden, weil sie ein so genanntes privilegiertes, zweckbestimmtes Einkommen darstellen. Anders sieht es mit privaten Geldern aus. Die Hartz-IV-Empfänger/innen unter den Hochwassergeschädigten müssen - im Gegensatz zu anderen Menschen - netten und hilfsbereiten Verwandten und Freunden klarmachen, dass deren Hilfe nicht bei ihnen ankommt.
Es gibt jedoch einen Ausweg. Das Geld muss als Darlehen gekennzeichnet werden. Die Rückzahlungsmodalitäten unterliegen der Vertragsfreiheit und auch eine "Rückzahlung in besseren Zeiten" kann vereinbart werden.
Was passiert, wenn ein Erwerbsloser aufgrund des Hochwasser einer Meldeaufforderung nicht nachkommen oder eine Maßnahme nicht antreten kann? Zumindest hat die Bundesagentur mitgeteilt, dass für eine "Helfertätigkeit" während des Hochwasser keine Meldepflicht besteht.




Wohnraumsituation in Jena 2013 (17.06.2013)
Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE

Vor einigen Tagen war in der Presse zu lesen, dass es in Deutschland immer weniger Sozialwohnungen gibt. Deren Zahl sank zwischen 2002 und 2011 von ca. 2,7 Millionen auf 1,6 Millionen. Ursache dafür sind das Ende der Belegungs- und damit der Mietpreisbindung und die Tatsache, dass nur wenige Sozialwohnungen neu erbaut werden
Eine ähnliche Tendenz ist auch in der Stadt Jena zu verzeichnen. Auch hier nahm der Bestand an Wohnungen mit Belegungsbindung deutlich ab: von 3556 im Jahr 2005 auf 1792 im Jahr 2013. Im kommenden Jahr erlischt für noch einmal ca. 700 Wohnungen die Belegungsbindung. Zwar werden noch Wohnungen mit Förderung gebaut, aber nicht annähernd so viel wie in den neunziger Jahren – eine genaue Zahl konnte die Stadt nicht nennen. Und das, obwohl in Jena Wohnraum nach wie vor knapp ist. So gab es in den Jahren 2010 bis 2012 im Jahresdurchschnitt 510 leer stehende Wohnungen, das entspricht einer Leerstandsquote von 0,9 %.
Dies und viele andere Dinge erfuhren die Stadträtinnen und Stadträte aufgrund einer Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Thema „Wohnraumsituation und Stadtentwicklung in Jena“, die am vergangenen Mittwoch im Stadtrat diskutiert wurde.
Menschen, die aufgrund geringen Einkommens Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein haben, gibt es deutlich mehr als entsprechende Wohnungen zur Verfügung stehen. So wurden im Jahr 2011 durch die Stadt 478 Wohnberechtigungsscheine ausgegeben, aber nur 205 belegungsgebundene Wohnungen mit einem Wohnberechtigungsschein bezogen (Im Jahr 2012 waren es 338 Wohnberechtigungsscheine und 181 belegungsgebundene Wohnungen).
Wie aus der Beantwortung der Anfrage hervorging, ist die Stadt nicht interessiert vorhandene Mietpreisbindungen zu verlängern.
Befragt wurden Jenawohnen und Wohnungsgenossenschaften nach den derzeitigen Mieten. Sie gaben an, das die Bestandsmieten (kalt) zwischen 3,90 €/qm und 5,73 €/qm liegen. Die durchschnittliche Kaltmiete liegt daher bei 5 €/qm. Bei Neuvermietungen wird von keinem oder nur einem geringen Aufschlägen ausgegangen.
Auf dem „freien“ Markt sieht die Sache ganz anders aus. Hier werden für Jena in Abhängigkeit von der Wohnungsgröße durchschnittlich zwischen 8,28 € und 9,67 €/qm gefordert. (Quelle: http://www.wohnungsboerse.net/mietspiegel-Jena/9092)
Nichts ändern will die Stadt an den Richtwerten der Kosten der Unterkunft, obwohl inzwischen ein Viertel aller Bedarfsgemeinschaften (ca. 1.500) höhere Mieten hat und die Betroffenen auch nicht umziehen können, da ein entsprechender Wohnraum nicht zur Verfügung steht.




Geringe Chancen (10.06.2013)
Zur Situation älterer Erwerbsloser

Das Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen hat im Rahmen des "Altersübergangs-Monitors" die Chancen älterer Arbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt untersucht. In der Pressemitteilung vom 22.05.2013 heißt es dazu, dass "im Jahr 2011 die Chancen der 55- bis 59-Jährigen nur halb so hoch waren wie im Gesamtdurchschnitt. Bei den 60- bis 64-jährigen Arbeitslosen lag die Wahrscheinlichkeit mit unter einem Drittel sogar noch niedriger."
In der Studie von Sarah Mümken und Martin Brussig "Die Arbeitsmarktpolitik wendet sich Älteren zu" wurde untersucht, wie ältere Erwerbslos gefördert werden. Festgestellt wurde, dass diese öfter und länger gefördert werden als jüngere Menschen ohne Arbeit, allerdings überwiegend durch Eingliederungszuschüsse für Arbeitsgeber und durch Arbeitsgelegenheiten. Dabei wurden Männer häufiger gefördert als Frauen! Wobei sich die Unterschiede in den vergangenen Jahren verringert haben.
Eine Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt konnte wie gesagt nicht erreicht werden. Die Wissenschaftler schlagen daher vor, "neben dem quantitativen Ausbau der Förderung auch eine "effektive und qualitativ angemessene Unterstützung" zu gewährleisten, "wie z.B. Vermittlung in dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und hochwertige Weiterbildungen." Wie das gehen soll, wird allerdings nicht gesagt. Außerdem wurde in der Studie noch nicht berücksichtigt, dass 2012 auch die Förderung älterer Erwerbsloser deutlich eingeschränkt wurde.
Dafür beginnt in diesem Jahr die Zwangsrente zu greifen. Langzeitarbeitslose, die das 63. Lebensjahr erreicht haben, müssen die vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen, auch wenn sie dadurch finanzielle Einbußen haben. Leider sehen das die Sozialgerichte nicht unbedingt anders. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 13.05.2013 - L 7 AS 525/13 B ER und - L 7 AS 526/13 B) hat entschieden, dass die Aufforderung des Jobcenters, nach Vollendung des 63. Lebensjahr einen Antrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen, rechtmäßig ist. Im konkreten Fall ging es allerdings um eine geringe Rente, so dass auch bei in Anspruchnahme der ungekürzten Altersrente Anspruch auf Grundsicherung bestehen würde.
Ungeklärt ist bislang, in welchen Fällen die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente nicht gefordert werden kann. Geregelt ist dies in der so genannten Unbilligkeitsverordnung. Da nicht geklärt werden konnte ob die Liste abschließend oder nicht, sollte jeder, der nicht vorzeitig in Rente gehen will, sich gegen die Aufforderung dazu zur Wehr setzen.
Wenn es in der Studie bedauernd heißt, dass Ältere jenseits der 60 arbeitslos sind, "die nun nicht mehr in Rente abströmen können", erscheint das doch ziemlich lebensfremd.




Blockupy Frankfurt 2013 (03.06.2013)
Demonstrationen gegen die Krisenpolitik der EU

Vor etwa einem Jahr wurde an dieser Stelle über die Blockupy-Proteste in Frankfurt am Main berichtet. Geplant waren damals die Besetzung öffentlicher Plätze und Blockaden, Demonstrationen und Kundgebungen, aber auch Diskussionsrunden, Workshops und Konzerte. Die schwarz-grün regierte Stadt hatte mit einem Totalverbot aller Aktionen reagiert. An der schließlich genehmigten Demonstration am 19. Mai 2012 nahmen mehr als 25.000 Menschen, die auch aus Italien und Frankreich und weiteren Ländern angereist waren, teil. Dem Blockupy Bündnis gehören etwa zwanzig Organisatoren an, so Die Linke, Attac und die Gewerkschaft Verdi, aber auch das Erwerbslosen Forum. Deutschland.
Im Aufruf zu den Protesten 2013 heißt es unter anderem: Wir wollen den "Widerstand gegen die Verarmungspolitik von Regierung und Troika - der EZB, der EU-Kommission und des IWF - in eines der Zentren des europäischen Krisenregimes tragen: an den Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) und vieler deutscher Banken und Konzerne - den Profiteuren dieser Politik."
Etwa 15.000 Menschen protestierten gegen die Krisenpolitik der EU. Weit kam sie jedoch nicht. Die Polizei stoppte den Demonstrationszug bereits nach weniger als einem Kilometer. Als Gründe dafür mussten "Vermummung" (zum Beispiel durch Regenschirme) und "Gewaltbereitschaft" (durch Transparente, die an Stöcken befestigt waren) herhalten. Da die Demonstranten den ganzen Tag festgehalten wurden, konnte die geplante Abschlusskundgebung nicht stattfinden. Menschen wurde verletzt.
Am Vorabend hatten etwa 2.500 Demonstranten die Europäische Zentralbank umzingelt, wobei es zu Auseinandersetzung mit der Polizei gekommen war. Die Menschen protestierten unter anderem vor der Deutschen Bank gegen die Spekulationen mit Nahrungsmitteln und gegen Billiganbieter von Textilien, die solche Arbeitsbedingungen wie Bangladesch verursachen.
In der Pressemitteilung heißt es: "Unsere Proteste waren kraftvoll und entschieden. Mit Aktionen Zivilen Ungehorsams und einer großen, bunten Demonstration haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt gegen die Verarmungspolitik der Troika... Dabei hatten unsere Aktionen genau den Charakter, der wir als Bündnis verabredet und öffentlich angekündigt hatten."
Die Untergrabung der Demonstrationsfreiheit durch die Polizei - vor allem die offenbar in Voraus geplante Einkesselung - muss als politisch motiviert betrachtet werden (http://blockupy-frankfurt.org/category/presse)




Bildungs- und Teilhabepaket (27.05.2013)
Große Anfrage zur Umsetzung in Jena

(Fortsetzung des Flyers vom 13. Mai 2013) In der Sitzung des Jena Stadtrates im Mai 2013 wurde die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets besprochen. Die Fraktion kritisierte in diesem Zusammenhang erneut die Abschaffung des kostenlosen Mittagessen für Kinder aus Hartz-IV-Familien. Lob gab es hingegen für die Gestaltung der Lernförderung. Diese hat die Stadt in Eigenregie umgesetzt, dass heißt, die Volkshochschule organisiert den Nachhilfeunterricht in Zusammenarbeit mit den Schulen direkt vor Ort Dass trotz intensiven guten Arbeit derzeit lediglich 45 Schüler/innen die Lernförderung in Anspruch nehmen, hängt damit zusammen, dass diese nur gewährt wird, wenn ohne Hilfe die Versetzung gefährdet ist.
Das so genannte Bildungs- und Teilhabepaket war bekanntlich im April 2011 eingeführt worden, um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2010 zur Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze gerecht zu werden. Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche waren nicht erhöht worden, dafür gab es als den § 28 "Bedarfe für Bildung und Teilhabe", welcher nach wie vor sehr kritisch betrachtet werden muss. Nicht nur, dass die Inanspruchnahme mit einem hohem Verwaltungsaufwand verbunden ist - Anträge müssen mit jedem Bewilligungszeitraum neu gestellt werden - das Bildungs- und Teilhabepaket kann nur in Anspruch genommen werden, wenn auch Angebote vorhanden sind. Der zugestandene Betrag von 10 € monatlich reicht nicht aus, wenn man zum Beispiel die Gebühren an der Musik- und Kunstschule betrachtet. Die Bundesregierung hatte die Einführung des Bildungs- und Teilhabepaket damit begründet, das im Regelsatz kein Geld für die Mitgliedschaft im Sportverein oder den Besuch einer Musikschule vorgesehen ist. Dann aber müssten die Kosten insgesamt übernommen werden! Die Zahl der Schüler/innen, die an der MKS eine Ermäßigung erhalten, ist dennoch von 38 im Jahr 2011 auf 64 im Jahr 2012 angestiegen. Dies hat aber weniger mit Bildungs- und Teilhabepaket zu tun als vielmehr mit der Arbeit der MKS direkt an den Schulen.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist ein Urteil, welches das Bundessozialgericht am 23.05.2013 gefällt hat. Es hat entschieden, dass ein Kind, das seinem Babybett entwachsen ist, Anspruch auf ein größeres Bett hat. Dieses ist als Erstausstattung zu betrachten und die Kosten dafür vom Jobcenter zu übernehmen. Dadurch wird klar, dass der hier im Regelsatz vorgesehene Betrag in Höhe von 5,10 € im Monat für Möbel unzureichend ist. Allerdings ist damit noch nicht geklärt, wie viel denn so ein Bett kosten darf.




Bildungs- und Teilhabepaket (13.5.2013)
Große Anfrage zur Umsetzung in Jena

Ende vergangenen Jahres stellte die Fraktion DIE LINKE eine Große Anfrage zur Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaket in Jena. Die Antwort liegt jetzt vor und wird übermorgen in der Sitzung des Stadtrates diskutiert.
Am Ende des Jahre 2012 waren in Jena 2630 Kinder und Jugendliche anspruchsberechtigt. Wie viele Kinder in Familien, die Wohngeld bekommen, Ansprüche geltend machen können, ist nicht bekannt, da die Software nur Haushalte ermittelt.
Insgesamt wurde 2012 mehr als 7500 € Anträge für Klassenfahrten, Lernförderung, Mittagessen und Teilhabe gestellt. Das hohe Zahl verdeutlicht den enormen Verwaltungsaufwand, der im Bereich des Fachdienstes Soziales zu zwei neuen Stellen geführt hat. Die Zahlen relativieren sich, wenn man bedenkt, dass die Bewilligungen nur sechs Monate gelten und allein 5300 Anträge (70%) auf den Zuschuss zum Mittagessen entfallen.
Mit Beginn des Bildungs- und Teilhabepaket wurde das 2009 in Jena eingeführte kostenlose Mittagessen für Kinder aus Hartz-IV-Familien abgeschafft. Einen Euro pro Tag müssen die Eltern jetzt für das Mittagessen in Kita oder Schule zuschießen. Dreimal forderte die Fraktion DIE LINKE die Stadt auf, das Angebot aufrecht zu erhalten zu erhalten und warnte davor, dass wie zuvor viele Kinder ohne warme Mahlzeit bleiben werden. Die Zahlen belegen dies: Nahmen zum Schuljahresende 2011 noch 1183 Kinder in Kitas und 883 in den Schulen das kostenlose Mittagessen in Anspruch, waren es ein Jahr später 974 in Kitas und 719 in Schulen, deren Mittagessen über das Bildungs- und Teilhabepaket teilfinanziert wurde - ein Rückgang um jeweils etwa 18%. Eine Erklärung dafür wollte die Stadt nicht geben.
Wie wird das Bildungs- und Teilhabepaket in Anspruch genommen? Die Stadt gibt für Klassenfahrten eine Quote von 51% an (für den Bereich von jenarbeit) und für den Bereich Kultur und Sport 43%. Letzteres ist nicht nachvollziehbar, da 2012 ganze 129 Anträge (plus 229 im Bereich des FD Soziales) für die Förderung im Bereich Kultur und 201 im Bereich Sport (258 für Wohngeldkinder) gestellt worden sind. Eine genauer Aufschlüsselung, für welche Bereiche Anträge gestellt wurden, konnte nicht gegeben werden. Eine Auswertung der Wirksamkeit des Bildungs- und Teilhabepaket wird nicht erfolgen, das eine solche "vom Gesetzgeber nicht vorgesehen" ist, wie es lapidar auf die entsprechende Frage heißt. Was kostet das Bildungs- und Teilhabepaket? Im Jahr der Einführung erhielt die Stadt ca. 753.000 €, von denen nur knapp 340.000 € ausgegeben wurde, der "Rest" floss in den allgemeinen Haushalt.
Im Jahr 2012 erhielt die Stadt 889.000 € und verbrauchte diese Mittel bis auf 50.000 €. Fast die Hälfte der Mittel entfiel auf die Zuschüsse zum Mittagessen.
(Fortsetzung im nächsten Flyer)





Arbeitslose als Erzieher? (06.05.2013)
Grundsätzliche Probleme nicht berücksichtigt

Ab August 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab Beginn des 2. Lebensjahres des Kindes. Dies bedeutet - vor allem in den "alten" Bundesländern - einen hohen Bedarf an Fachkräften. Bundesweit werden etwa 40.000 Vollzeitstellen zusätzlich benötigt. Obwohl das Gesetz schon vor Jahren beschlossen wurde, gibt es bislang keine zufriedenstellenden Lösungen. Mehrmals wurde bereits die Idee geäußert, Langzeitarbeitslose zu Erzieher/innen auszubilden oder umzuschulen. Nachdem diese Nachricht einigen Unmut ausgelöst hatte ("Die sollen unsere Kinder betreuen?"), wurde jetzt wurde eine Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) veröffentlichtet, in der ernsthaft der Frage nachgegangen wird, ob so das Problem gelöst werden kann. Der Titel des Berichtes "Begrenztes Potenzial für Erziehungsberufe" verweist darauf, dass es natürlich erwerbslose Menschen gibt, die sich vorstellen können in der Kinderbetreuung zu arbeiten Deren Zahl wird von der Bundesagentur für Arbeit mit 16.500 angegeben. Die formalen Voraussetzungen, eine Ausbildung beginnen zu können, erfüllen etwa 6.000 von ihnen.
Hier fangen die Probleme erst richtig an. Denn es gibt in Deutschland keine einheitliche Ausbildung. Jedes Bundesland regelt die Voraussetzungen und Dauer der Ausbildung anders. So gibt es schulische Ausbildungen mit Praktika, aber auch ein Vorpraktikum kann notwendig sein. In Thüringen muss der Ausbildung zur Erzieher/in eine Berufsausbildung im erzieherisch oder pflegerischen Bereich (z.B. als Kinderpfleger/in, Sozialassistent/in, Alten- oder Krankenpfleger/in o.ä.) vorausgegangen sein. Hinzu kommt, dass bei Arbeitslosen, die bereits einen Berufsabschluss haben, eine weitere Ausbildung nicht gefördert wird.
Darüber wird in dem Bericht nichts gesagt. Allerdings wird darauf verwiesen, dass die Arbeit einer Erzieherin mit verschiedenen Problemen verbunden ist. So sind bereits 60% aller Stellen befristet, und zwar häufig für ein Jahr, wenn private Träger die Beschäftigung davon abhängig machen müssen, wie viele Anmeldungen es für die Kindertagesstätte gibt. Der langen Ausbildung steht dann unter Umständen ein unsicherer Arbeitsplatz entgegen, der außerdem hohe physische und psychische Belastungen bedeuten kann. Darauf verweist die Häufung von Erkrankungen beim pädagogischen Personal und der überdurchschnittlich frühe Rentenbeginn. "Das durchschnittliche Renteneintrittsalter der Personen mit einer frühpädagogischen Ausbildung liegt bei 59 Jahren, mehr als ein Viertel geht aus gesundheitlichen Gründen mit durchschnittlich 54 Jahren in den Vorruhestand." (Nina Weimann-Sandig und Christopher Osiander, "Begrenztes Potenzial für Erziehungsberufe", IAB Kurzbericht, 8/213)




Theorie und Praxis (29.04.2013)
Wenn Pläne ins Leere laufen...

Nicht alles, was die Bundesregierung in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht war, war zu kritisieren. Warum aber eigentlich vernünftige Dinge nicht funktionieren, soll im Folgenden anhand der Pflicht zur Krankenversicherung, dem Recht auf ein Girokonto sowie der Einführung von so genannten branchenspezifischen Lohnuntergrenzen gezeigt werden.
Seit 2009 muss in Deutschland jeder Mensch krankenversichert sein. Hintergrund der Einführung dieser Pflicht war die Tatsache, dass Hunderttausende Bürger/innen nicht versichert waren. Das Problem besteht aber darin, dass jeder, der seine Krankenversicherung - aus welchen Gründen auch immer - eine Zeitlang nicht bezahlt hat, Schulden bei seiner Krankenkasse hat. Das betrifft auch Arbeitslose und Geringverdiener. Obwohl über das ALG I oder II die Beiträge übernommen werden - wer sich nicht arbeitslos meldet, macht Schulden, die er mit hohen Zinsen zurückzahlen muss. Der so genannte Säumniszuschlag beträgt derzeit 5% im Monat - das sind 60% im Jahr! Mit der Einführung des Versicherungspflicht konnten die Probleme also nicht gelöst werden, da die wesentliche Ursache - der Mangel an finanziellen Mitteln - nicht beseitigt wurde.
Im Jahr 2013 verfügen ca. 670.000 Menschen in Deutschland nicht über ein Girokonto, obwohl der bargeldlose Geldverkehr inzwischen Standard ist und Transaktionen mit Bargeld oft mit höheren Kosten verbunden sind. Zwar gibt es seit 1995 die Selbstverpflichtung der Kreditinstitute, jedem/r Bürger/in auf Wunsch ein Konto einzurichten, aber die Situation hat sich seither nicht wesentlich verbessert. Die Einführung einer gesetzlichen Verpflichtung lehnt die schwarzgelbe Regierung ab. Die bestehende Pflicht für die Sparkassen und Banken, ein Girokonto auf Wunsch in ein Pfändungsschutzkonto umzuwandeln, verbinden etliche mit hohe Gebühren, obwohl dies nicht vorgesehen war. Im Bundestag wurde jetzt ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns beraten. CDU und FPD sprechen sich derzeit noch für "brachenspezifische Lohnuntergrenzen" aus. Dass dies nicht funktioniert, zeigen vorliegende Untersuchungen zur Umsetzung von Mindestlöhnen in verschiedenen Bereichen.
Kontrollen der Finanzämter im Jahr 2012 ergaben, dass in ca. 6 % der 34.000 geprüften Betriebe Ermittlungsverfahren wegen Nichtbezahlen des Mindestlohns eingeleitet werden mussten. Allerdings kann nur ein Bruchteil der Betriebe in der Bauwirtschaft oder der Gebäudereinigung geprüft werden, da es nicht genügend Personal gibt.
Statt eines "Flickenteppichs" von Lohnuntergrenzen, noch dazu unterteilt in Ost und West und oft unzureichend in der Höhe, muss endlich ein gesetzlicher Mindestlohn von 10,00 € eingeführt werden!




Wenig Hoffnung auf Erhöhung... (22.04.2013)
Bundessozialgericht zu den Regelsätzen

Jeden Tag werden in Deutschland in den fast siebzig Sozialgerichten und den Langensozialgerichten Hunderte von Klagen gegen Hartz IV verhandelt. Die Urteile sind in ihren Aussagen oft widersprüchlich, und oft kann erst, wenn das Bundessozialgericht entschieden hat, von einer gesicherten Rechtssprechung ausgegangen werden.
Das bedeutet nicht immer nur Gutes. Wenig Hoffnung gibt es noch für eine Erhöhung des Regelsatzes, zumindest für alleinstehende Menschen. Bereits im Juli vergangenen Jahres hatte nämlich das Bundessozialgericht (B 14 AS 153/11 R, Urteil 12.07.2012) festgestellt, dass der Regelbedarf "für die Zeit ab 1.1.2011 nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden" ist und die vom Sozialgericht Berlin vorgebrachten Argumente nicht überzeugen können. Dieses hatte die Verfassungswidrigkeit der Regelsätze festgestellt und das Bundesverfassungsgericht angerufen. Allerdings ging es in diesem Urteil um eine Familie mit einem Kind, so dass hier das "letzte Wort" noch nicht gesprochen ist.
Auch wenn Sozialgerichte übereinstimmend argumentieren, werden viele Probleme bis zum obersten Sozialgericht "geschleppt". Charakteristisch zum Beispiel die Frage nach der Anrechnung von fiktiven Einkommen. Das BSG bekräftigte, dass Einkommen, das - aus welchen Gründen auch immer - nicht geflossen ist, nicht angerechnet werden darf (B 14 AS 161/11 R, Urteil vom 29.11.2012). Problematisch ist, wenn eine einmalige Einnahme (wie zum Beispiel Weihnachtsgeld) auf sechs Monaten aufgeteilt und angerechnet wird, obwohl das Geld verbraucht ist. Hier sagt das BSG, dass das Einkommen zumindest im nächsten Bewilligungsabschnitt nicht mehr berücksichtigt werden darf (B 14 AS 33/12 R, Urteil vom 29.11.2012).
Ein Umdenken gibt es vielleicht im Zusammenhang mit den Kosten der Unterkunft. Es geht um den 1. Satz des § 22 SGB II: "Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind." Was aber ist angemessen? Bisher waren die Sozialgerichte davon ausgegangen, dass es im Fall, dass durch die vorhandenen Richtlinien die Angemessenheit nicht nachgewiesen werden kann - kein "schlüssiges" Konzept vorhanden ist - die Wohngeldtabelle anzuwenden ist. Dem widersprach das Sozialgericht Leipzig. Es ging um einen Obdachlosen, der endlich eine Wohnung gefunden hatte. Das Jobcenter wollte nur die laut Richtlinie angemessenen Kosten übernehmen. Die Richter verpflichteten die Behörde nicht nur, die Kosten in vollem Umfang zu übernehmen. Sie vertraten die Auffassung, dass die tatsächlichen Kosten nur dann nicht zu übernehmen seien, "wenn die Unterkunftsverhältnisse bzw. -kosten in einem offensichtlichen Missverhältnis zu den sonstigen Lebensumständen des Alg-II-Empfängers stehen." (S 20 AS 2707/12, Urteil vom 15.02.2013).




Faule Arbeitslose? (15.04.2013)
Neue Suche nach "Beweisen"

Wie jetzt bekannt wurde, ist im vergangenen Jahr die Zahl der Sanktionen gegen langzeitarbeitslose Menschen weiter gestiegen. Weit mehr als 1 Million Mal wurden Leistungen gekürzt. In Jena wurden 1.400 Sanktionen verhängt. Überwiegend handelt es sich aber um so genannte Meldeversäumnisse, die unabhängig von ihrer Anzahl zu einer 10%igen Kürzung führen. Und daher waren trotz der hohen Zahl von Sanktionen gerade einmal 3,4% aller Erwerbslosen betroffen. Dennoch sind laut einer Umfrage 37% der Deutschen der Auffassungen, Arbeitslose seien faul. Zur gleichen Zeit wurde auch bekannt, dass ein Ziel der Arbeitsmarktreform, Menschen schneller in Arbeit zu vermitteln, gescheitert ist. Von den 4,5 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Empfängern sind mehr als 1 Million seit 2005 im Leistungsbezug. In Westdeutschland liegt die Quote bei 22,7% und im Osten bei 27,8%. Wobei nicht nur Erwerbslose, sondern auch Geringverdiener betroffen sind. Die Zahlen, die auf einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit beruhen, zeigen auch, dass mehr als 300.000 Menschen kaum auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. Dennoch wurden die Mittel für die Arbeitsförderung massiv gekürzt und die Bedingungen verschärft.
Was Hartz IV für die Behörde auch bedeutet, zeigt eine interne Anweisung der Bundesagentur. So umfassen die Leistungsakten bei den Agenturen und Jobcentern inzwischen mehr als 2,8 Milliarden Seiten. (Und es stellt sich die Frage, wie viele es wohl bei den Sozialgerichten sein mögen.)
Dennoch will die Behörde offenbar noch mehr Papier produzieren. So sollen kranke Hartz-IV-Empfänger stärker überwacht werden. Das zeigt die Dienstanweisung der BA zum § 56 SGB II "Anzeige- und Bescheinigungspflichten bei Arbeitsunfähigkeit". Hier wird akribisch aufgeführt, woran zu erkennen ist, ob ein Erwerbsloser sein Kranksein nur vortäuscht: wenn zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit nach der Einladung zu einem Meldetermin oder nach dem Angebot einer Maßnahme angezeigt wird. Zweifel seien auch angebracht bei einer Krankschreibung "nach einer Auseinandersetzung mit dem persönlichen Ansprechpartner", wenn dieser eine Abwesenheitsankündigung nicht genehmigt hat. Aber auch "Zweifel aus der Sphäre des Arztes" werden angeführt - zum Beispiel eine Rückdatierung des Krankenscheins.
Daher sollen "bei begründeten Zweifeln" die Krankenkassen informiert werden, welche dann überprüfen sollen, ob die Arbeitsunfähigkeit gerechtfertig ist. Grundlage dafür ist eine Vereinbarung zwischen der Bundesagentur, den Kommunen und den gesetzlichen Krankenkassen. Mit welchem Ziel? Noch mehr Papier produzieren? Die Zahl der Sanktionen erhöhen? Vor allem wohl den Druck auf Arbeitslose weiter erhöhen.




Internationaler Tag der Roma (08.04.2013)
Solidarität gegen Abschiebung

Seit 1971 wird am 8. April der "Internationale Tag der Roma" begangen. Vor 42 Jahren fand an diesem Tag in London der erste Welt-Roma-Kongress in statt. Vertreter_innen aus 25 Ländern beschlossen damals unter anderem, als Namen die Selbstbezeichnung "Roma" (Mensch) zu nutzen. (Der in Deutschland genutzte Doppelbegriff "Sinti und Roma" bezeichnet die Gruppe der seit Jahrhunderten im deutschsprachigen Raum lebenden Sinti und die größtenteils im 18. und 19. Jahrhundert aus Osteuropa eingewanderten Roma.) An diesem Tag finden in vielen Ländern und auch zahlreichen Städten Deutschlands (Berlin, Dresden, Hamburg, Hannover, Leipzig, weitere Informationen unter www.all-bleiben.info) Aktionen statt, deren aktueller Anlass die drohende Abschiebung von Roma-Familien nach Serbien und den Kosovo ist.
Auch in Jena leben Roma. Nach Aussage der Stadtverwaltung sind sechs Familien betroffen, die im vergangenen Jahr aus Serbien nach Deutschland gekommen sind und über die Aufnahmenstation in Eisenberg in das Heim nach Jena.
Die Asylanträge der Familien wurden abgelehnt, da eine politische Verfolgung für die Behörde nicht zu erkennen ist. Bekannt sind die widrigen Lebensumstände, weshalb bundesweit im Winterhalbjahr keine Abschiebungen erfolgen. Der Winter wird aber behördlicherseits zum 31. März als beendet erklärt, so dass die Familien aufgefordert werden, freiwillig zurück zu kehren. Anderenfalls wird abgeschoben. Verter_innen von The VoiceRefugeeForum, des Menschenrechtsreferats des Studierendenrates Jena, Kokont, des DJR und des Aktionsnetzwerks gegen Rechts riefen für den 8. April dazu auf, gemeinsam zur Landesaufnahmestelle nach Eisenberg zu fahren und dort wie auch später vor der Gemeinschaftsunterkunft in Jena auf die Lage der Familien aufmerksam zu machen. Während der Abschlusskundgebung um 17 Uhr auf dem Holzmarkt in Jena werden Luftballons in den Farben der Roma-Fahne (oben blau für den Himmel, unten grün in für die Erde und in der Mitte ein rotes Rad) in den Himmel geschickt.
In einigen Stadt wurden bereits Resolutionen gegen Abschiebungen gefasst. Wie jungst in einer Presseerklärung bekannt wurde, dankte der Vorsitzende des Zentralrates der Deutschen Sinti und Roma, Romani Rose, jetzt dem Bundespräsidenten Joachim Gauck, dass dieser sich im Kieler Landtag gegen die Diskriminierung der Roma ausgesprochen habe. Ob dies für einen bundesweiten Abschiebstopp reicht?




Demo-Flyer 2013: Januar - März

Demo-Flyer 2012: Januar - März, April - Juni, Juli - September , Oktober - Dezember

Demo-Flyer 2007 - 2011 (pdf): 2007,2008, 2009, 2010, 2011